Glotzen mit der Quatsche

Fernsehen per Mobiltelefon ist eigentlich längst möglich. Doch weil sich die deutsche Medienbürokratie nicht auf einen Standard einigen kann, ist sogar Albanien längst weiter

VON FRIEDER BECHTEL

Auf der Cebit wurde es oft genug vorgeführt: Das Handy wird aufgeklappt, der Monitor gedreht, eine kleine Antenne ausgefahren und der Fernsehgenuss kann beginnen. So einfach das auf der Messe aussah, bis HandynutzerInnen beim Picknick oder in der S-Bahn aus einer breiten Auswahl von TV-Sendern wählen können, wird noch einiges an Zeit vergehen.

Zwar ist Handy-TV heute schon verfügbar, allerdings sprechen mehrere Experten vom Scheitern des derzeit verwendeten Standards DMB, der im Vergleich zu anderen Techniken weniger Kanäle aufweist: Pünktlich zur Fußball-Weltmeisterschaft im vergangenen Jahr hatte Debitel DMB-Fernsehhandys angeboten. Allerdings schritt in der Anfangsphase der Netzausbau nur schleppend voran, durch knappe Frequenzen sind nur vier Fernsehsender verfügbar, und dafür sollte der mobile Fernsehzuschauer anfangs noch 200 Euro für das Glotztelefon und nur fürs Fernsehen bis zu 15 Euro monatlich bezahlen – anscheinend zu viel, „heute sind es wohl gerade mal 5.000 Nutzer, wobei auch diese Zahl aufgerundet sein dürfte“, sagt Rudolf Opitz vom Computermagazin c’t.

Aktuell läuft ein Lizenzierungsverfahren für Handyfernsehen über den Konkurrenzstandard „Digital Video Broadcasting-Handhelds“ (DVB-H), der vom digitalen Antennenfernsehen DVB-T abgeleitet ist. Diese Technik genießt gerade von allen Seiten Vorschusslorbeeren, sogar die EU-Kommission sprach sich dafür aus. Und auf der Cebit waren etwa zehn bis fünfzehn DVB-H-Handys ausgestellt – aber kein einziges mehr für DMB. Derweil sind in der bundesweiten Ausschreibung der Landesmedienanstalten Kapazitäten für sechzehn bis zwanzig Fernsehsender vorgesehen.

Also DMB-Handy wegschmeißen, denn bald gibt’s DVB-H? Von wegen! Medienanalyst Klaus Goldhammer beschreibt das gerade laufende Lizenzierungsverfahren: „Es ist ein extrem komplexer, extrem absurder Prozess, der letzten Endes von dem Föderalismus und von den Schwierigkeiten der Rundfunkstrukturen geprägt ist. Die Technik ist seit einem Jahr marktreif, aber bei der Einführung von Handyfernsehen gehen wir sogar später als Albanien an den Start!“ Tatsächlich können seit Januar AlbanerInnen etwa in der Hälfte ihres Landes via DVB-H auf Mobiltelefonen fernsehen, während in Deutschland die Mühlen der Landesmedienanstalten mahlen: Vierzehn sind es an der Zahl.

Reinhold Albert, Vorsitzender der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten, erklärt, wieso das Verfahren nicht ganz unkompliziert ist: „Durch die Kombination von Mobilkommunikation und Fernsehausstrahlung treten neben Inhalteanbietern und Netzbetreibern weitere Akteure auf die Bühne: Mobilfunkunternehmer und Rundfunkbetreiber.“ Und da sich potenzielle Betreiber eine bundesweit einheitliche Lösung wünschen, Rundfunkpolitik aber Ländersache ist, mussten sich erst die Medienanstalten auf eine einheitliche Ausschreibung einigen, die gerade veröffentlicht wurde und bis Mitte April läuft.

Nach Ablauf der Ausschreibungsfrist werden die Landesmedienanstalten gemeinsam beraten, welche Bewerbung wohl die größten Chancen auf stabilen Betrieb und vielfältiges Programm bietet. Der rheinland-pfälzische Rundfunkreferent Hans-Dieter Drewitz schätzt daher, „dass vor 2008 kein Handyfernsehen kommt. Auch die Fußball-Europameisterschaft im Juni 2008 ist momentan noch ein flottes Ziel!“ Als Grund für diese langen Zeiträume nennt Drewitz die Senderinfrastruktur – vom Sendemast bis zum Verteilerkasten – die nach der Lizenzentscheidung aufgebaut werden muss.

Ein Sendedienstleister sieht das allerdings anders: „In vier bis acht Wochen könnten wir einige Ballungsräume in Deutschland schon mit DVB-H versorgen“, sagt Norbert Riepel von T-Systems. Es sind wohl eher die Chefstrategen der großen Mobilfunk- und Programmanbieter, die über einen schnellen oder langsamen Start des Hosentaschenfernsehens entscheiden: „Das ist ein Henne-Ei-Problem“, sagt Hardy Dreyer vom Hans-Bredow-Institut. „Keiner wird sich TV-fähige Handys kaufen, so lange es nicht adäquate Inhalte dafür gibt, aber keiner von den etablierten Anbietern geht momentan mit adäquaten Inhalten raus, weil unklar ist, wie er die Kosten für die Inhalte ohne eine kritische Masse von Nutzern einspielen kann!“

Medienexperte Goldhammer glaubt allerdings, dass durch den schnellen Austauschzyklus von Handys diese Masse von MobilzuschauerInnen schnell erreicht ist: „Jedes Jahr erhalten 20 Millionen Mobilfunkkunden neue Geräte. Wenn nur 10 Prozent dieser Kunden die TV-Option mitbestellen, haben wir jährlich zwei Millionen neue Nutzer!“ Goldhammer kann sich vorstellen, dass die Kosten nicht nur durch Gebühren, sondern auch durch spezielle, den Anforderungen der kleinen Monitore angepasste Werbung finanziert werden.

Damit tut sich ein weiteres Problem auf: Handy-TV ist als verschlüsseltes Bezahlfernsehen konzipiert, damit nur fernsieht, wer regelmäßig zahlt. Dagegen wehren sich die öffentlich-rechtlichen Sender: „Der öffentlich-rechtliche Rundfunk wird seine Programme nur unverschlüsselt zur Verfügung stellen“, sagt ARD-Generalsekretärin Verena Wiedemann. Anbieter, die ihr Programmpaket ohne öffentlich-rechtliche Sender schnüren wollen, werden also schwerlich eine Lizenz bekommen.

Ein Ergebnis dieser Verschleppung könnte am Ende sein, dass DVB-H eingestellt wird, bevor es an den Start geht: ein Exponat auf der Cebit war ein handflächengroßes Mobiltelefon, das DVB-T empfangen kann, also das schon seit zwei Jahren unverschlüsselt ausgestrahlte Antennenfernsehen mit bis zu dreißig Kanälen: kostenlos.