Moskau provoziert mit Idee einer Gas-Opec

Bei ihrem Gipfel in Katar nächste Woche wollen sich die gasproduzierenden Länder in Richtung eines Kartells bewegen. Seit sich Russland diesem iranischen Vorschlag angeschlossen hat, reagiert der Westen unsicher und eingeschüchtert

MOSKAU taz ■ Seit einem halben Jahrzehnt geistert die Idee schon durch die Welt und flößt westlichen Energiekonsumenten neue Ängste ein: die Idee zur Gründung eines Kartells der gasproduzierenden Länder nach dem Vorbild des Zusammenschlusses der erdölexportierenden Staaten (Opec). Bislang begnügen sich die Produzenten mit dem locker organisierten Forum Gas exportierender Länder (GECF), das den Eindruck eines desorganisierten Klubs mit fluktuierenden Mitgliedern und ungeklärter Zukunft machte. Nicht einmal über eine Website verfügte die GECF. Zurzeit gehören ihr Russland, Iran, Algerien, Libyen, Venezuela, Katar, Kasachstan, Usbekistan sowie Trinidad und Tobago an.

Das soll sich jetzt ändern. Auf dem Gipfeltreffen am 9. April in Katar planen die Mitglieder, dem Forum ein verbindlicheres Gefüge zu geben. Größtes Interesse an einem Gaskartell hegt seit je Iran. Teherans geistlicher Führer Ajatollah Ali Chamenei brachte den Vorschlag auf. Im Januar gab er die Anregung Igor Iwanow, dem Sicherheitsratschef Wladimir Putins, mit nach Moskau. Der Kremlchef griff den Vorschlag auf und sorgte für eine Überraschung in den eigenen Reihen. Noch im Dezember hatte Energieminister Wladimir Christenko die Kartellvision als eine „Frucht aufgeregter Einbildung“ verworfen, und auch beim russischen Energiegiganten Gazprom schloss man ein Bündnis strikt aus. Beide mussten schnell umlernen. „Wer sagt, dass wir den Vorschlag einer Kartellbildung ablehnen?“, meinte der Kremlchef im Februar in Katar.

Die GECF-Staaten sitzen auf 73 Prozent der weltweiten Gasreserven und stellen 41 Prozent der globalen Produktion. Mit mehr als 21 Prozent ist Russland größter Produzent. Zusammen verfügen Iran und Russland über 40 Prozent der weltweit nachgewiesenen Reserven. Gasproduzenten wie Norwegen, Kanada, Australien und die Niederlande, die zurzeit die Hälfte des weltweit verbrauchten Gases liefern, lehnen aus ordnungspolitischen Gründen eine Kartellbildung ab.

Eine Preispolitik, wie sie die Opec durch künstliche Verknappung betreibt, ist beim Gas ohnehin nicht möglich. Zumindest noch nicht. Gas ist zurzeit noch an den Transport über Pipelines gebunden. Anders als für Erdöl gibt es für Gas noch keinen nennenswerten Spotmarkt mit Kurzzeitverträgen. Erst durch das in Schiffen und Containern transportierbare Flüssiggas (LNG) wird sich das ändern.

Die Gasgewinnung folgt noch anderen Gesetzen. Produzenten fördern erst, wenn die Abnahme auch gesichert ist. Verträge haben meist Laufzeiten von 10 bis 20 Jahren. Erst Ende 2006 verlängerte Gazprom die Verträge mit den wichtigsten europäischen Abnehmern Deutschland, Frankreich, Italien und Österreich. Die Vereinbarungen haben Laufzeiten von 15 bis 25 Jahren. Sollte in Katar ein Kartell gegründet werden, wären diese Abkommen nicht betroffen, da sie an ein internationales Schiedsgerichtsverfahren gekoppelt sind. Für die GUS-Staaten im postsowjetischen Raum gilt dies allerdings nicht. Dort wird der Preis jedes Jahr neu verhandelt.

Trotz Absprachen und langfristigen Verträgen ist der Westen vom russischen Vorgehen verunsichert. Genau darum gehe es, sagt der ehemalige Energieminister und Leiter des Instituts für Energiepolitik in Moskau, Wladimir Milow. Er hält die Kartellbildung für ein „provokantes Spiel“ ohne wirtschaftlichen Nutzen. Ziel sei es, den Westen „einzuschüchtern und zu demonstrieren, auch zu einer Politik der Stärke fähig zu sein“, meinte Milow in der Wirtschaftszeitung Wedemosti.

Jonathan Stern vom Oxforder Institute for Energy Studies rät unterdessen zu Gelassenheit. Er hält die Aufregung um die Kartellbildung für einen Nebenkriegsschauplatz. Nicht das Kartell werde die Energiediskussion in Europa in der nächsten Dekade beherrschen, sondern der Gaspreis für russische Verbraucher. Ab 2011 soll der an europäisches Preisniveau angeglichen werden. Gazprom hätte dann keinen finanziellen Anreiz mehr, wachsenden Bedarf in Europa zu decken. KLAUS-HELGE DONATH

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