taz-Autotest: Emissionsfrei schweben

Der Toyota Prius Hybrid ist das meistdiskutierte Auto des Jahres. Künast propagiert ihn, Oettinger wittert Landesverrat. Grund genug, ihn noch mal zu testen.

So sieht er von innen aus, der Toyota Prius Hybrid Bild: AP

Der Autotest der taz berücksichtigt ausschließlich Fahrzeuge, die weniger als 110 g/km Kohlendioxid ausstoßen. Grund: Die von Merkel verwässerte neue EU-Flottengrenze von 130 g/km ab 2012 ist angesichts der weltweit steigenden Zahl an Autos zu wenig. Nur: Es gibt nicht viele Massenmarkt-Autos unter 110g/km. Wenn die Autounternehmen nicht schleunigst klimafreundliche Fahrzeuge herausbringen, muss dieser Test jung sterben - oder sich umorientieren.

Über kein Auto dürfte in den vergangenen Wochen im Zusammenhang mit der Klima-Erwärmung mehr gesprochen worden sein als über den Toyota Prius Hybrid. Der japanische Hersteller hat sein durch den Gesamtflottenverbrauch nicht haltbares Öko-Image poliert. Politiker haben sich mit Prius-Statements Aufmerksamkeit verschafft: Die Grüne Renate Künast rief zum Kauf auf, Ministerpräsident Oettinger witterte "Landesverrat", weil der Tübinger OB Palmer sich einen Prius als Dienstwagen wählte. Neu ist der Prius nicht, die aktuelle Version gibt es seit 2004. Letztes Jahr wurde sie aufgefrischt. Doch wer hat den Prius denn wirklich gefahren?

Der Umwelt-Faktor: Der Hybrid, also die Kombination von Benzin- und Elektromotor, gilt als Übergangstechnologie auf dem Weg zum modernen Auto, das keine fossilen Brennstoffe verbrennt und keine Emissionen ausstößt. Beim Bremsen oder Ausrollen wird Energie gewonnen. Sie fließt in die Batterie des Elektromotors. Dieser unterstützt den Benzinmotor mit dem, was er abrufen kann. Das hilft Sprit sparen und Kohlendioxidausstoß reduzieren. Zur Erinnerung: Der Straßenverkehr trägt zu etwa 20 Prozent zu den Gesamt-CO2-Emissionen bei und damit zur Erwärmung der Atmosphäre. Die offiziell angegebenen 104g/km des Prius sind in der Limousinen-Klasse konkurrenzlos gering - und werden in Deutschland nur von Smart Fortwo Diesel (90-95g/km) und Polo Blue Motion (102g/km) unterboten. Die Deutschen haben den Hybrid erfunden, klar, aber die deutschen Autokonzerne haben keine marktreifen Hybrid-Modelle.

Wie fährt man bei Tempo 40? Wunderbar. Automatikgetriebe ist eh gut. Man kann tatsächlich kurze Strecken (ca. 2 km) und geringe Geschwindigkeiten (bis 45 km/h) allein mit dem Elektromotor fahren, dafür gibt es einen Knopf ("EV-Schalter"). Man schwebt emissionsfrei durch verkehrsberuhigte Zonen und tötet für kurze Zeit keine Kinder mit Abgasen. Fühlt sich gut an. Über kurze Strecken ist es schwierig, Sprit zu sparen. Profis wissen aber, wie man die Elektro-Batterie optimal nutzt. Zum Beispiel: Bei längeren Bergabfahrten lädt sie sich auf. Also muss man sie vorher leerfahren.

Wie fährt man bei Tempo 100?

Eine Testfahrt auf der Landstraße, Schnitt 90km/h, zeigt die Qualitäten des Prius: Ein okayer Fahrer fährt mit 4,5 Litern, einer mit Gefühl im Fuß schafft 3,9 Liter. Auf die Frage, ob man damit auch "sicher" überholen kann, lautet die Antwort: Ja. Man drückt das Pedal durch - und dann röhrt er etwas prätentiös, aber es geht auch ab. Dass der Prius für die Autobahn weniger geeignet ist, wird von geübten Fahrern bestritten. Die sagen, dass sie ihn selbst da unter 6 oder gar 5 Litern fahren.

Technikfaktor: Was den Prius grade so um- bzw. antreibt und wie der Computer die Leistung des Benzinmotors zu optimieren versucht und mit dem Elektromotor koordiniert, ist über das Multivision-Touchscreen-Farbdisplay zu verfolgen. Grüne Pfeile signalisieren: Elektromotor rules, alles gut. Eine andere Graphik verfolgt in Fünf-Minuten-Schritten den Spritverbrauch und die Aufladung der Elektromotor-Batterie. Da sieht man, z. B. bei Überlandfahrt: Nach Aufwärmphase (Verbrauch über 10 Liter), folgen fünf Minuten mit 5 Litern und dann sinkt der Verbrauch auf spektakuläre 2,5 Liter. Supergefühl! Dieses Gerät kann noch mehr, z. B. Navigation. Entertainmentfaktor für Kinder, wenn eine Stimme den Fahrer wegen Falschfahrens anpflaumt. Insgesamt am Anfang leichtes Gefühl von Hightech-Überforderung, das dann übergeht in Gefühl von Luxusgenuss.

Luxusfaktor: Oh, ja. Der Prius ist eine Limousine, und so sitzt man auch drin. Das Rückwärts-Einparken kann man auf dem Display verfolgen. Lustig ist auch der sogenannte Smart Key, d. h., es gibt kein Zündschloss, sondern einen Einschaltknopf. Es genügt, den Smart Key in der Jackentasche zu haben. Den Knopf drückt man, und dann hört man: nichts. Diane Keaton hat sogar ihren Hund überfahren, weil ihr Hybrid so leise startet!

Familienfaktor: Passen denn da auch genug Menschen rein, fragen immer wieder junge Eltern mit Ambitionen? Ja, der Prius ist eindeutig ein Familienauto. Hinten gehen auch drei Erwachsene rein, und in den Kofferraum passt erstaunlich viel.

Dienstwagen-Tauglichkeit: Viele Politiker verteidigen ihre klimafeindlichen Dienstwagen mit der Begründung, man müsse ja daraus staatstragende Geschäfte abwickeln können. "Ein Bundesminister kann seine Arbeit nicht tun, wenn er nicht einen Dienstwagen hat, aus dem er telefonieren, faxen, mailen, Akten bearbeiten kann", sagte Grünen-Fraktionsvorsitzende und Ex-Ministerin Renate Künast unlängst in der taz. Nun: Im Prius kann man hinten sitzen, Akten ordnen, diverse Mitarbeiter mitnehmen (siehe Beweisfoto.)

Spaßfaktor: Der Spaß ergibt sich aus dem Mix an Technik, Luxus und Umweltfreundlichkeit. Kann immens sein.

Status-Faktor: Be like Leo! Prominente Prius-Fahrer sind Leonardo DiCaprio und Boris Palmer, um nur die Wichtigsten zu nennen. Außerdem Julia Roberts, Cameron Diaz, Bernhard Brugger. Wem es auf das Image ankommt, der wird mit dem Prius auch glücklich. Das Konkurrenzmodell Honda Civic Hybrid ist nicht annähernd so aufgeladen mit grünem Glamour. Allerdings waren im Test keine Spontansex-Angebote oder Menschenaufläufe zu vermelden.

Der Hybrid-Witz, der nachdenklich stimmt: Was bedeutet es, wenn vor dem Haus eines Hollywood-Stars in Beverly Hills ein Prius Hybrid und ein BMW stehen? Die Putzfrau ist da.

MODERNES AUTO ist neben Klima, Reisen, Essen ein Schwerpunkt des taz-Journals "Logisch. Wie wir alle besser leben". Erscheint am 8. Mai. Kostet 6 Euro.

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