Genossen wollen Betriebsräte loswerden

Eigentlich sind Arbeitnehmervertreter nahezu unkündbar. Die Volksbank Ludwigsburg versucht es dennoch und will ihre Betriebsrätin entlassen. Es wird gemobbt und geklagt. Management nach Gutsherrenart, sagen dazu Gewerkschafter

VON HERMANNUS PFEIFFER

Ihren Namen kennt in Ludwigsburg mittlerweile jedes Kind. Andrea Widzinski soll vom Vorstand der Volksbank Ludwigsburg entlassen werden. Fristlos. Dabei ist Widzinski Betriebsratsvorsitzende – und damit eigentlich unkündbar.

Seit 1972 verhindert das Betriebsverfassungsgesetz Sanktionen für kritische Arbeitnehmervertreter, indem es Betriebsräte für nahezu unkündbar erklärt. Doch Betriebsratsvorsitzende Andrea Widzinski ist beim Vorstand ins Abseits geraten, angeblich wegen eines Spesenbetrugs. Für eine Bahnfahrt soll sie 89 Euro zu viel abgerechnet haben. Der Volksbank-Vorstand um Karlheinz Unger will sich von Widzinski trennen und lässt sich von dem Duisburger Anwalt Helmut Naujoks beraten. Dieser ist auf den Rausschmiss (fast) unkündbarer Beschäftigter spezialisiert und reichte ordnungsgemäß eine Kündigung beim Betriebsrat ein. Der lehnt ab. Daraufhin zog der Vorstand vor das Stuttgarter Arbeitsgericht. Es wird am 26. April entscheiden.

Damit die Richter aber einer Kündigung zustimmen, müsste Widzinski eine „grobe Verletzung gesetzlicher Pflichten“ nachgewiesen werden. Dafür wurden bislang keine ernst zu nehmenden Indizien bekannt. Nach einer Selbstanzeige Widzinskis findet die Staatsanwaltschaft nicht mal einen Anfangsverdacht für den vorgeworfenen „Spesenbetrug“.

Der Vorstand schlägt in einer provinziellen Posse zurück: Die Unbotmäßige wird in der Bank menschlich isoliert, Kompromisse vor Gericht abgelehnt, eine dubiose Unterschriftenaktion gestartet, und obendrein wird sie im Internet öffentlich als Betrügerin gebrandmarkt.

Auf einer gemeinsamen Kundgebung vor der Bank kurz vor Ostern beklagten IG Metall, DGB, Evangelische Kirche und Katholische Betriebsseelsorge vor 200 Demonstranten den „systematischen Psychoterror“ durch Volksbank-Boss Unger.

Doch nicht nur in Ludwigsburg wird Betriebsräten der Genossenschaftsbanken das Leben schwer gemacht. „Im Osten herrschen oft Wildwest-Methoden“, ganze Belegschaften würden eingeschüchtert, berichtet Jörg Reinbrecht beim Ver.di-Bundesvorstand. Der Münchner Ver.di-Landesfachbereichsleiter Klaus Grünewald berichtet von zwei fristlosen Kündigungen von Betriebsräten in Bayern seit Jahresbeginn. Unentdeckt bliebe oft das Mobbing. „Eine ganze Reihe von Vorständen bedroht Betriebsräte existenziell, wenn diese ihre gesetzlichen Rechte wahrnehmen wollen.“ Die Folge seien oft schwere Erkrankungen bis hin zu Selbstmordversuchen.

Für eine Häufung der Problemfälle nennt Ver.di-Bankexperte Mark Roach plausible Gründe. Da ist zunächst ein 40-Seiten-Papier des Verbandes an alle Vorstände. Darin werde der Spielraum der Betriebsräte weit mehr eingeengt, als es das Betriebsverfassungsgesetz vorsehe. Konflikte seien dadurch vorprogrammiert, kritisiert Roach. Zudem seien viele genossenschaftliche Kreditinstitute kleine Betriebe, und das bedeute oft ein gewerkschaftablehnendes Management und Gutsherrenmentalität der Vorstände.

Der Bundesverband der deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) weist die Vorwürfe zurück. Die Mitgliedsinstitute seien vielfach ausgezeichnete Toparbeitgeber mit hoher Beschäftigungsquote, sagt Sprecherin Melanie Schmergal.