Alte Hasen retten Ostermarsch

Trotz Tornado-Einsatz und Irak-Dilemma: Die Beteiligung am Ostermarsch ist mager. Selbst SPD und Grüne fehlen. Vor allem junge Menschen lassen sich durch das Thema Krieg nicht mehr mobilisieren

VON KATHRIN SCHRECK

„Unsere Haare sind grauer geworden, aber wir werden deswegen nicht lahmer!“ Klaus-Dieter Heiser, 60 Jahre alt, scheint mit dem Alter wirklich kaum an Enthusiasmus eingebüßt zu haben. Bei seiner Rede zum Auftakt des Ostermarschs ist jedenfalls nichts von Altersmilde zu hören: „Eine andere Welt ist nötig! Wir erhalten die Forderung nach Abrüstung wach!“, ruft Heiser, der Mitglied der WASG ist, ins Mikrofon. Und erntet Beifall der Umstehenden. In der ersten Reihe sind wirklich viele mit grauen Haaren zu sehen.

550 Menschen nahmen laut Polizei gestern am Ostermarsch teil. Von der Auftaktkundgebung Unter den Linden, nahe der US-Botschaft, machte sich der Zug auf den Weg zum Rosa-Luxemburg-Platz. „Bundeswehr raus aus Afghanistan“ forderten die Demonstranten auf Transparenten und „Kein Krieg gegen Iran!“

Vor 40 Jahren fand in Berlin der erste Ostermarsch statt. Beim Blick über die diesjährigen Teilnehmer drängt sich der Verdacht auf, dass ihm die Teilnehmer aus seiner Anfangszeit treu geblieben sind, während sich die jüngere Generationen doch sehr zurückhält. „Ich bin vor 64 Jahren geboren worden und habe noch am eigenen Leibe erfahren, was Krieg bedeutet“, sagt eine Teilnehmerin, die von Anfang an beim Ostermarsch dabei war. Sie hält es für möglich, dass junge Menschen nur schwer für die Friedensbewegung zu mobilisieren sind, weil sie den Krieg selbst nicht kennen. Frieden sei für die Jüngeren kein zu erstrebendes Ziel, sagt sie, sondern der schon lebenslange Ist-Zustand.

Die Stimmung unter den Teilnehmern wirkt gedrückt – vielleicht liegt es an der niedrigen Teilnehmerzahl. „Das ist ja wie ein Trauermarsch hier“, ruft ein Demonstrant denn auch zu Beginn der Demo. Auch die Debatte in den Medien über den Sinn der Ostermärsche dürfte zu der geringen Beteiligung in Berlin beigetragen hat. In den vergangenen Tagen hatten mehrere Politiker Stimmung gegen die bundesweit stattfindenden Ostermärsche gemacht. Claudia Roth, Parteichefin der Grünen, hatte etwa den Pazifisten vorgeworfen, die Augen vor der Realität zu verschließen und unhaltbar strenge Positionen einzunehmen. Die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Abgeordnetenhaus, Franziska Eichstädt-Bohlig, bezeichnete den Ostermarsch als „nicht mehr zeitgemäß“ (siehe Interview).

Dieser öffentliche Boykott vieler Grünen-Politiker – deren Partei Anfang der Achtzigerjahre die Ostermärsche maßgeblich geprägt hat – erzielte aber nicht bei allen die erhoffte Wirkung. „Das Statement von Frau Roth gegen die Ostermärsche war für mich ausschlaggebend, heute hier doch mitzulaufen“, sagt Peter Weigt von der WASG Reinickendorf. Und für ihn ist das ein echtes Opfer: Sein rechter Fuß ist im Gips – Fersenbeinbruch.

Carsten T., Fahnenträger der DKP, hat zu dem Vorstoß der Grünen eine eigene Theorie: „Die machen das in den Medien, um ihre eigene Basis dahingehend zu formatieren, heute nicht mitzulaufen. Oder sind hier irgendwo die Grünen? Ich hab sie noch nicht gesehen.“

Das stimmt: Sollte die Sonnenblumenpartei bei der Demo anwesend sein, dann hält sie sich gut versteckt. Die SPD ist auch nicht auszumachen.

Die 28-jährige Julia ist eine der wenigen jungen Menschen, die zum Ostermarsch gekommen sind. Von den abwertenden Aussagen der Politik hält sie wenig: „Das ist Quatsch, zu sagen, es bringt nichts. Wenn dadurch immer weniger Menschen für den Frieden kämpfen, dann bringen Friedensbewegungen wirklich irgendwann gar nichts mehr.“

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