Mogelplakette für Geländewagen

Große Autos, deren Emissionen das Klima stark belasten, könnten bald klimafreundlicher daherkommen als Kleinwagen. Das sieht das Klima-Pass-Konzept des Bundesverkehrsministeriums vor. Die Autolobby freut sich, Umweltverbände sind empört

VON MORITZ SCHRÖDER

Geht es nach Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD), könnten schwere Geländewagen bald mit dem Siegel „klimaschonend“ durch die Gegend fahren. Mit einem „Klima-Pass“ für Neuwagen, den Tiefensee noch in diesem Jahr einführen will, würde etwa der Landrover Freelander-Td4S-Geländewagen doppelt so gut abschneiden wie der kleine Ford Ka 1.3. Das hat die Deutsche Umwelthilfe (DUH) berechnet. Sie kritisiert die Berechnungsmethode des Ministers als zu industriefreundlich. In einem Interview mit der Bild-Zeitung hatte Tiefensee am Wochenende gefordert, Autohändler sollten den Ausstoß von Kohlendioxid (CO2) bei Neuwagen bald auf zwei Skalen angeben: eine für die Gesamtmenge des ausgestoßenen CO2 und eine zweite, auf der die maximale Ladung des Fahrzeugs mit dem Abgaswert kombiniert wird. Ein Familien-Van läge im vorderen Bereich der Skala, zweisitzige Sportwagen würden schlechtere Wertungen bekommen, da sie weniger transportieren können, so Tiefensee. Arbeitstiere würden also besser dastehen als Stadtflitzer.

Allerdings würde auch der Porsche Cayenne kaum schlechter abschneiden als ein Golf-Mittelklassewagen, kritisiert Jürgen Resch von der Umwelthilfe. Der unterschiedliche Energieverbrauch würde zu wenig berücksichtigt. Dass sich ausgerechnet der Automobilverband VDA für diese Art der CO2-Kennzeichnung ausgesprochen hat, hat die Umweltverbände alarmiert. Die Plakette gebe wenig Anreiz, um neue Automodelle effizienter zu machen: „Die könnten einfach ihr zulässiges Gesamtgewicht im Fahrzeugschein erhöhen und in der Emissionsskala deutlich bessere Werte erreichen“, sagt Resch. Bei den einzelnen Modellen hätten die Hersteller bei der erlaubten Zuladung noch einige 100 Kilogramm Spielraum nach oben, ohne die Autos technisch zu verändern. Auch stärkere Federungen würden die mögliche Zuladung erhöhen. „So lenkt Herr Tiefensee die Kreativität der Konstrukteure in die falsche Richtung“, kritisiert Resch. Die Autos würden letztlich noch mehr Kohlendioxid ausstoßen. Auch Gerd Lottsiepen vom Verkehrsclub Deutschland hält die Orientierung an der Nutzlast für „unsinnig“.

Die DUH hat zusammen mit dem Umweltbundesamt bereits ein eigenes Modell entwickelt, um die Emissionen kenntlich zu machen. Dabei wäre die Effizienz von der Fahrzeuggröße abhängig. Der Vorteil: Die Fläche kann nicht beliebig verändert werden, um ein Modell effizienter erscheinen zu lassen. Dagegen spricht unter anderem die Aerodynamik. Da sich die Größen von Gelände- und Kleinwagen weniger stark unterscheiden als ihre Nutzlast, würde der Kohlendioxid-Ausstoß ausschlaggebender. „Die Hersteller müssten ihre Autos effizienter machen, um gut dazustehen“, folgert Resch.

Vom Bundesverkehrsministerium war bis zum Redaktionsschluss keine Stellungnahme zu bekommen. Laut informierten Personen soll aber Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) den Vorstoß kritisiert haben: „Tiefensee ist gar nicht zuständig“, so Gabriel.