Singender Stasi-Spitzel

Tom Hanks sicherte sich die Hollywood-Rechte: Der US-Amerikaner Dean Reed war in der DDR ein Superstar mit Cowboyhut. Zwei Musiker von RedArt folgen in Münster dem Geheimnis seines Lebens

VON PETER ORTMANN

Denver ist Ende der 1930er Jahre noch ein staubiges Nest im US-Bundesstaat Colorado. Dennoch wird zu der Zeit dort auf einer Hühnerfarm ein Superstar geboren, der Menschenmassen bewegen und im damaligen Ostblock bekannter als Elvis werden sollte. Ihn konsultierten Staatsmänner, Revolutionäre – und die CIA. Dean Reed (1938-1986) war Marxist und auch ein schöner, singender Cowboy. Dennoch blieb er der unbekanntesten Superstar aller Zeiten – im Westen. Zu Füßen lagen ihm die Menschen in Südamerika, in der Sowjetunion und in der DDR – bis heute.

Seine Geschichte ist so außergewöhnlich, dass sich Tom Hanks seit Jahren die Hollywood-Filmrechte gesichert hat, in diesem Jahr ein Dokumentarfilm („Der Rote Elvis“. Regie: Leopold Grün, D 2007) auf der Berlinale gezeigt wurde. Der kommt im August in die Kinos. Aber zuerst findet heute zum ersten Mal sein Leben auf einer Theaterbühne statt. Roger Trash (Dewald), Musiker und Autor aus dem niedersächsischen Diepholz, begibt sich im Münsteraner Pumpenhaus in „OstCowboy“ auf Spurensuche zum seelenverwandten Rocker. Gemeinsam mit Serge Corteyn (40), dem Belgier aus Wattenscheid, folgt Trash (47) der Fährte in dieser geheimnisvollen Biografie und entdeckt Affinitäten und Dissonanzen. Die Inszenierung basiert auf dokumentarischen und fiktiven Textmaterial, Musik und Filmausschnitten.

Also gut, so richtig toll war er nicht, weder als Musiker, noch als Schauspieler. Aber er war damals ein Kommunist aus US-Amerika, der sich in Argentinien mit Che Guevara traf und Salvador Allende in Chile unterstützte. Der gegen Vietnamkrieg und soziale Ungerechtigkeit in der Welt protestierte. Reed war 1966 der erste Rocksänger auf sowjetischen Bühnen, begeisterte mit Elvis-Hüftschwung die werktätigen Massen. In Deutschland mutierte gerade Martin Lauer vom Leichtathlet zum Countrysänger.

Keine Konkurrenz. Der „Ostcowboy“ drehte bereits Italowestern mit Yul Brynner, galt in DDR als „Sänger des anderen Amerika“. Dann traf der schöne Reed 1972 in Leipzig seine spätere Frau Wiebke und zog umgehend nach Ostdeutschland, erwarb ein Wassergrundstück mit Haus und Motorboot in Rauchfangswerder, einem Ortsteil von Berlin-Schmöckwitz. „Ich bin Marxist, was auch immer ich singe“, sagte er und besuchte die PLO im Libanon und sang für Jassir Arafat. 1978 solidarisierte er sich mit Farmern in Minnesota, wurde kurz ins örtliche Gefängnis gesperrt, trat in Hungerstreik und löste eine weltweite Kampagne zu seiner Freilassung aus.

Von da an ging es bergab. Der Ruhm hinter dem eisernen Vorhang verblasste, davor kannte ihn eh niemand. Für den Superstar blieb nur noch ein „Kessel Buntes“ und 1982 – Stasi belegt – die Einsicht, „dass die DDR ein faschistischer Staat sei“ und dass er es, wie die DDR-Bürger auch „bis oben hin satt hätte“.

Der ergraute Cowboy hörte nun den US-Soldatensender American Forces Network (AFN) und hoffte auf ein Comeback in den USA. Dann bekam er auch privat Probleme und löste sie in Rockstar-Manier: Unter Einfluss von Beruhigungsmitteln und mit aufgeschnittenen Pulsadern ertrank er im Zeuthener See bei Berlin. Reed hinterließ einen 15-Seiten langen Abschiedsbrief. In einer Urne kehrte er 1991 nach Colorado zurück. Sein Grabstein ziert der Spruch „American Rebel“. Tom Hanks weiß also, wofür er sein Geld ausgibt.

RedArt visualisiert in Münster eher verborgene Facetten seines Ruhms, der Tragik seines Lebens und der Scheinwelt, in der er wohl gelebt hat.

Das rote Wunder Dean Reed20:00 Uhr, Pumpenhaus, Münster Infos: 0251-233443