„Wir gegen die? So einfach ist das nicht“

MEHR ALS CROWDFUNDING Bild plus Text plus Ton: „Der Sender“ tritt ein neues Projekt an, um den Medienmarkt aufzumischen. Das geht, weil die klassischen Kanäle ihr Technikmonopol verloren haben

Erst mal diskutiert der Sender offen und bittet später um Geld

VON DANIEL BOUHS

Wenn Philip Banse darüber spricht, was sein Projekt eigentlich kosten dürfte, dann spult er eine Excel-Tabelle ab. „Guck mal“, sagt er dann, „für 2.000 Euro bekommst du echt gute Kameras, ein Mischpult für 1.000 Euro und gutes Licht für noch mal dasselbe.“ Wer 50.000 Euro in die Hand nehme, der sei in allen Belangen „fernsehreif“, Live-Sendungen aus unterschiedlichen Perspektiven inklusive. „Das Teuerste ist dann fast noch die Deko.“

In der klassischen Fernsehwelt, die oft mit Opulenz statt mit Inhalten beeindruckt, wäre Philip Banse ein „Head of Communications“. Er plant aber lieber Flinkes, wie dieses Projekt mit ein paar Kollegen, die er vor allem aus seiner Arbeit beim Radio kennt. Darum, Fragen zu „Der Sender“ zu beantworten, kümmert er sich nebenbei – und dann erklärt er, wie aus dem Projekt der erste genossenschaftliche Kanal hierzulande werden soll.

Bisher sind lediglich die Grundzüge von „Der Sender“ bekannt: Er soll eine Plattform sein, kein lineares Programm. Themen und Geschichten sollen mal im bewegten Bild, mal im gesprochenen Wort, mal als Text aufbereitet werden. Oder als Mix aus alledem. Und die Projektmacher stellen schon jetzt klar: Wer mitmacht, soll für seine Arbeit anständig bezahlt werden. „Der Sender“ soll kein Hobby sein.

Die neue Plattform will vor allem den Journalismus aus seinen bisherigen Grenzen befreien. „Wir erhoffen uns hier maximalen Freiraum“, erklärt Banse. In etablierten Verlagen und Sendern sei es schwer, sich diesen zu schaffen. „Das liegt gar nicht an den Leuten, die da arbeiten, sondern in der Natur dieser Institutionen: Was wir in einer Kreuzberger Fabriketage vorhaben, ist dort einfach nicht in gleicher Freiheit möglich.“

Dass Projekte wie „Der Sender“ entstehen, ist im Grunde nur logisch. Längst haben etablierte Sender haben ihr Technikmonopol verloren. Heute kann praktisch jeder Programm machen, ohne einen Platz im Kabelnetz und mit vergleichsweise wenig Geld. Das demonstrieren nicht zuletzt die vielen YouTube-Stars, die man ohne bezahlbare professionelle Technik nicht hätte kreieren können.

Banse beschreibt „Der Sender“ vor allem als mediales Infrastruktur-Projekt, „inhaltlich und technisch“. Einer der Beteiligten hat bereits ein kleines Studio in Berlin, das weiter aufgerüstet werden könnte. Mitmachen könne jeder, der gute Ideen habe. In einer ersten Fragerunde, die die „Sender“-Macher „Sprechstunde“ nennen, erklärte das Gründerteam gerade, dass von Information bis zu Fiktionalem praktisch alles möglich sei, nur beschlossen sei eben noch nichts. Manch einem schwebe unter anderem Fernsehen für Eltern vor, mit ausführlichen Diskussionen für diese Zielgruppe – unter anderem.

Bezahlen soll all diese noch eher vagen Konzepte – einmal mehr – die Masse. „Der Sender“ will sein Startbudget über Crowdfunding zusammensammeln. Wenn das klappt, sei aber eben auch eine Genossenschaft geplant, in der sich Unterstützer längerfristig an dem Projekt beteiligen könnten. Banse verspricht für dieses „Commitment“ eine „Mitbestimmung in ganz grobem Rahmen“. Ins alltägliche Geschäft wolle man sich nicht reinregieren lassen.

Friedlich und sympathisch

Bleibt die Frage, wie viel „Krautreporter“ in „Der Sender“ steckt. Wie die wollen ja auch Banse und seine Mitstreiter im Internet Neues und Unabhängiges in Sachen Journalismus wagen und dafür ebenfalls schon im Vorfeld die Hand aufhalten. Banse sagt, seine Leute hätten sich mit den Krautreportern unterhalten und gelernt, welche Fehler sie besser nicht machen sollten. Tatsächlich diskutiert „Der Sender“ erst mal offen und bittet später um Geld. Das macht das Projekt sympathischer – natürlich ist es aber für Nachahmer auch einfacher, nicht in die gleichen Fallen hineinzutappen wie der Vorreiter.

Auch die Tonalität ist schon zu Beginn eine andere. Die Krautreporter sind mit der Parole, den klassischen Journalismus „reparieren“ zu wollen, angeeckt. „Der Sender“ strebt offenbar eine friedliche Koexistenz mit etablierten Medien an. „Das ist kein Gegeneinander“, sagt Banse. „Wir haben ein paar Möglichkeiten mehr, aber die anderen werden immer auch riesige Vorteile haben: Geld, Korrespondenten, Infrastruktur. Wir gegen die? So ist das einfach nicht.“