Der lange Atem der Ausländerbehörde: Abschiebung nach 27 Jahren in Deutschland

Angebliche Scheinlibanesin wurde in die Türkei ausgeflogen. Nach Angaben ihrer Familie spricht die in Beirut geborene Frau kein Wort Türkisch. Gericht hatte sie vom Vorwurf der Identitätstäuschung freigesprochen.

Eine Berliner Kurdin ist nach 27 Jahren Aufenthalt in Deutschland in die Türkei abgeschoben. Die Ausländerbehörde hat der siebenfachen Mutter Khadra O. eine Täuschung vorgeworfen: Die in Beirut geborene Frau soll sich als staatenlose Kurdin aus dem Libanon ausgegeben haben.

"Wir durften uns nicht einmal von unserer Mutter verabschieden", sagt die 26-jährige Nislin O., Tochter von Khadra O. Die Polizei sei am vergangenen Mittwoch in aller Frühe in die Wohnung in Schöneberg eingedrungen, habe die Mutter mitgenommen und sie noch am selben Tag abgeschoben. Dabei spreche sie kein Wort Türkisch, sagt die Tochter. "Meine Mutter hat uns inzwischen aus der Türkei angerufen. Sie lebt bei einer Verwandten einer Berliner Nachbarin".

Am Dienstag will die Familie gemeinsam mit Freunden vor dem Roten Rathaus für die Wiedereinreise der Mutter demonstrieren. Flüchtlingsrat, Grüne und Linke unterstützen die Forderung.

Nach Angaben von Rechtsanwalt Reinhard Klich ist seine Mandantin arabische Kurdin. "Die Ausländerbehörde behauptet, sie sei in einem türkischen Geburtsregister eingetragen und habe in der Türkei gelebt". Der Anwalt vermutet jedoich eine Verwechslung. "In ihrer libanesischen Heiratsurkunde steht ein anderes Geburtsjahr als das in dem türkischen Geburtsregister, auf das die Ausländerbehörde sich beruft", sagt Kilch. "Meine Mandantin war nie in der Türkei, wie die Ausländerbehörde es behauptet." Ein Berliner Strafgericht habe sie deshalb vor eineinhalb Jahren von dem Vorwurf der Identitätstäuschung freigesprochen.

Vor einem Jahr hatte sich die Härtefallkommission mit der Staatenlosen beschäftigt. Sie empfahl Innensenator Ehrhart Körting (SPD) die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, sagt Komissionsmitglied Hans-Peter Becker: "Dem hat Körting unter der Voraussetzung zugestimmt, dass die Frau eine Erwerbstätigkeit aufnimmt und zumindest teilweise von der Sozilahilfe weg kommt." Zudem sollte Khadra O. die angebliche Identitätstäuschung zugeben und einen türkischen Pass beantragen.

Das war ihr nach Angaben des Anwaltes aber nicht zumutbar. "Meine Mandantin hat aber einen libanesischen Pass beantragt und das der Ausländerbehörde auch mitgeteilt. Es dauert jedoch lange, bis man so einen Pass bekommt." Nach Angaben der Tochter Nislin O. hätte ihre 51-jährige Mutter in der Firma einer Familienangehörigen arbeiten können. Sie bekam aber keine Arbeitserlaubnis. Nicola Rothermel, Sprecherin der Innenverwaltung, betont, die Abschiebung beruhe auf einer "rechtmäßigen Entscheidung der Ausländerbehörde und nicht auf einem Behördenversehen." Im Innenausschuss hatte Staatssekretär Ulrich Freise (SPD) gestern erklärt, die Zusage einer Aufenthaltserlaubnis an Frau O. sei an Auflagen gebunden gewesen, die sie nicht erfüllt hatte.

Rechtsanwalt Rüdiger Jung vertritt die Schwester der abgeschobenen sogenannten "Scheinlibanesin". Ihr könnte in einigen Jahren dasselbe passieren wie Khadra O. Seine Mandantin hat lediglich ein Aufenthaltsrecht, weil zwei ihrer deutschen Kinder noch minderjährig sind. Rüdiger Jung: "Wenn die Behörde nicht einlenkt, würde meiner Mandantin nach 35 Jahren Aufenthalt die Abschiebung drohen."

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