Arbeitsmarkt: Ältere dürfen wieder früh aufstehen

Über 55-Jährige und Langzeitarbeitslose profitieren am deutlichsten von der guten Konjunktur. Das zeigen die aktuellen Arbeitsmarktzahlen. Ursachen sind der Fachkräftemangel und die demographische Entwicklung.

Auch in Berlin sind Arbeitskräfte wieder gefragt.

Lebenserfahrung ist wieder gefragt auf dem Berliner Arbeitsmarkt. "Der Wind hat sich gedreht", sagt der Sprecher der Regionaldirektion für Arbeit, Olaf Möller. Für Ältere und Langzeitarbeitslose seien die Möglichkeiten, eine neue Beschäftigung zu finden, größer geworden. "Natürlich sind sie immer noch zweite Sieger im Vergleich zu jüngeren Arbeitslosen, aber sie können ebenfalls siegen."

Im Dezember 2007 waren 238.344 Berliner arbeitslos gemeldet, 11,6 Prozent weniger als im Vorjahr. Mehr als ein Drittel ist länger als ein Jahr arbeitslos, jeder zehnte über 55 Jahre alt. Besonders unter den Langzeitarbeitslosen (-20 Prozent) und den älteren (-21,3 Prozent) ist die Arbeitslosigkeit im Vergleich zum Vorjahr gesunken. Insgesamt liegt die Arbeitslosenquote bei 14,2 Prozent. Im vergangenen Monat zahlten 30.400 Arbeitnehmer mehr als im Dezember 2006 in die Sozialkassen ein. Am stärksten legten die Bereiche Zeitarbeit (+ 13.700), Gesundheitswesen (+5.600) und Handel (+4.700) zu. Damit hat Berlin zusammen mit Hamburg bundesweit den größten Beschäftigungszuwachs (+2,9 Prozent). ALE

Nach den am Donnerstag veröffentlichten Zahlen der Agentur für Arbeit hat die Arbeitslosigkeit in der Gruppe der über 55-Jährigen und der Arbeitslosen, die länger als ein Jahr in der Statistik bleiben, im Vergleich zum Dezember 2007 um rund 20 Prozent abgenommen. Bundesweit liegt Berlin damit im Trend, der Rückgang beträgt in beiden Gruppen rund 23 Prozent.

Günstig für die Chancen der vorzeitig ausgemusterten ArbeitnehmerInnen wirken sich vor allem das seit einem Jahr andauernde Wirtschaftswachstum und der Engpass an nachwachsenden Fachkräften aus, konstatieren Arbeitsagentur und Arbeitgeber. "Der Fachkräftemangel führt dazu, dass die Unternehmen jetzt wieder auf ältere Fachkräfte zurückgreifen, die Tugenden wie Zuverlässigkeit und Erfahrung mitbringen", sagt der Sprecher der Unternehmensverbände Berlin und Brandenburg (UVB), Thorsten Elsholtz.

"In den Unternehmen hat ein Umdenken eingesetzt", bemerkt auch Hannelore Rabe von der privaten Personalvermittlung aventa. "Wir konnten im Sommer eine 58-Jährige in eine richtig gute Assistentenstelle vermitteln. Das wäre vor einem Jahr noch undenkbar gewesen." Vor allem gut qualifizierte Arbeitnehmer seien gefragt wie nie.

Doch auch gering Qualifizierte profitieren. "Selbst Supermarktketten haben regelrecht um Arbeitskräfte konkurriert", berichtet Agentursprecher Möller. Arbeitskräfte würden in alle Branchen vermittelt.

Und die Aussichten für das neue Jahr scheinen gut: Bei der aktuellen Umfrage im Herbst hätten sich die meisten Firmen optimistisch geäußert, weiterhin Leute einstellen zu wollen, sagt der Sprecher der Industrie- und Handelskammer, Holger Lunau. Darunter seien selbst jene Branchen, die in der Vergangenheit dramatische Jobverluste erlitten hätten, wie das Baugewerbe. "Wir gehen davon aus, dass der Trend anhält", sagt eine Sprecherin der Senatorin für Arbeit, Heidi Knake-Werner (Linke).

Allerdings bevorzugen es Unternehmen nach wie vor, ihre Beschäftigten leihweise anzuheuern. Die größten Zuwächse an "echter Arbeit", den sozialversicherungspflichtigen Jobs, gibt es weiterhin im Zeitarbeitssektor. Das spürt auch Personalvermittlerin Rabe, die gleichzeitig Berliner Landesbeauftragte des Verbandes der Zeitarbeitsunternehmen ist: "Zeitarbeit nimmt unwahrscheinlich zu." Etwa zehn Prozent der Arbeitskräfte, die ihr Unternehmen als Büroassistenten oder Vorstandssekretärinnen vermittelt, würden von den Unternehmen auf Dauer übernommen. "Eine sehr hohe Rate", meint Rabe.

Jedem fünften gelingt der Wiedereinstieg in den ersten Arbeitsmarkt nur zum Niedriglohn, wie die Sozialsenatorin in der vergangenen Woche konstatierte (siehe taz vom 28.12.). Arbeitgebervertreter warnen deshalb vor einem Mindestlohn, wie ihn SPD und Linkspartei fordern. Die undifferenzierte Anwendung eines Mindestlohns von 7,50 Euro würde dem Ziel, Arbeitsplätze zu schaffen, direkt im Wege stehen, sagt UVB-Hauptgeschäftsführer Christian Amsinck.

Eine Umfrage der Unternehmensverbände unter regionalen Firmen zeichnet ein etwas anderes Bild: Danach haben zwei Drittel der befragten Unternehmen bereits heute Mühe, ihre Personalkartei zu füllen. Besonders betroffen sind Unternehmen im Hotel- und Gaststättengewerbe: 90 Prozent von ihnen finden nicht genügend Mitarbeiter.

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