Arbeitslosenzahlen auf Tiefstand: Alle Räder stehn bald still

Die Arbeitslosenzahlen sind auf historischem Tiefstand. Das kann sich bald ändern. Daimler schickt Beschäftigte in verlängerten Weihnachtsurlaub. Die Metallindustrie verzeichnet Auftragsrückgänge.

Arbeitsämter bald verwaist? Bild: DPA

Die Arbeitslosigkeit in Berlin und Brandenburg ist im Oktober weiter gesunken. In der Region waren rund 50.000 Menschen weniger erwerbslos gemeldet als vor einem Jahr. Das gab die Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit (BA) am Donnerstag bekannt. In Berlin war es der niedrigste Oktoberwert seit 1992, in Brandenburg sogar seit der Wiedervereinigung.

Doch die Freude darüber mag angesichts der drohenden Wirtschaftsflaute nicht recht aufkommen. "Wir müssen uns als Folge der Finanzkrise in den kommenden Monaten auf einen konjunkturellen Einbruch und steigende Arbeitslosenzahlen einstellen", sagte Arbeitsmarktsenatorin Heidi Knake-Werner (Die Linke).

Bereits jetzt ist der Zuwachs an sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten schwächer als in den vorangegangenen Monaten: Gab es im Juli noch 33.000 mehr solcher Jobs als im Vorjahr, waren es im Oktober lediglich 30.000. "Wir können davon ausgehen, dass derzeit keine neue Beschäftigung entsteht", sagt Olaf Möller, Sprecher der BA-Regionaldirektion Berlin-Brandenburg.

Karl Brenke vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin hingegen will von einem konjunkturellen Einbruch und steigender Arbeitslosigkeit nichts wissen. Bei der ganzen Diskussion um eine Wirtschaftsflaute sei "sehr viel Nebel im Spiel". Brenke warnt deshalb vor zu viel "Schwarzmalerei", die einen Konjunktureinbruch erst befördern könnte. "Der schlimmste Feind der Konjunktur ist die Psyche", sagt er. Darüber hinaus sei Berlin weit weniger von der bundesweiten Konjunktur abhängig als Länder wie Bayern oder Baden-Württemberg.

Gleichwohl haben die ersten Ausläufer der Krise die Region erreicht. "Die Metall- und Elektroindustrie hat einen Rückgang an Auftragseingängen um durchschnittlich 20 Prozent zu verzeichnen", sagt Thorsten Elsholtz vom Berliner Verband der Metall- und Elektroindustrie (VME). Das ergaben erste Rückmeldungen einer Umfrage, die der Verband unter seinen Mitgliedsfirmen gestartet hat. Elsholtz weiter: "Der bundesweite Trend hat sich voll bestätigt."

Auf taz-Anfrage bestätigte ein Sprecher des Mercedes-Benz-Stammwerks in Stuttgart, dass für die rund 3.100 Mitarbeiter im Motorenwerk in Berlin-Marienfelde die diesjährigen Weihnachtsferien um mehrere Tage verlängert werden. Auch das Mercedes-Benz-Werk für Nutzfahrzeuge im brandenburgischen Ludwigsfelde wird seine Mitarbeiter in eine verlängerte Weihnachtspause schicken, wie der dortige Unternehmenssprecher bestätigte. Damit ist es aber wohl nicht getan. Derzeit werde mit dem Betriebsrat über weitere Lösungen für die rund 2.600 Beschäftigten beraten. Damit soll "auf die weltweit gesunkene Nachfrage reagiert werden".

Im Ludwigsfelder Werk wurden die verlängerten Weihnachtsferien bereits im Juli beschlossen. Schon im Sommer hatte das Stammwerk in Stuttgart angewiesen, "keine Bestände aufzubauen", sagte der Sprecher weiter. "Die Absatzkrise haben wir vorausgesehen."

Der Flaute ging eine zweijährige Boomphase in der Elektro- und metallverarbeitenden Industrie voraus. Mehr als 10.000 Jobs seien seit 2006 in der Region entstanden, versicherte VME-Sprecher Elsholtz. "Das war der größte Boom seit 16 Jahren." Allein der Fahrzeugbau und ihre Zulieferer beschäftigen rund 20.000 Menschen - sie bilden in der strukturschwachen Region das Rückgrat der Industrie.

"Wir sehen in der Industrie die ersten Anzeichen der Rezession", bestätigt auch Olaf Möller von der Bundesagentur für Arbeit. Er glaubt aber, dass auch im November die Arbeitslosenzahlen weiter zurückgehen werden. Schließlich spiegeln die Zahlen den Stand auf dem Arbeitsmarkt zwei Monate früher wider - noch vor der Krise an den Finanzmärkten. Für die darauffolgenden Monate wagt er allerdings keine Prognose: "Wir sind auf alles eingestellt."

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