Kommentar: Angriff der Marktliberalen

Der Senat soll Vattenfall den Bau neuer Kraftwerke verbieten. Das fordert ausgerechnet die Industrie- und Handelskammer.

Das Quasi-Oligopol von Vattenfall, EnBW, EON und RWE steht schon lange unter Beschuss. Vom Umweltschützer bis hin zum EU-Kommissar wird eine Entmachtung der vier großen Konzerne gefordert, die den Strommarkt in Deutschland nahezu beherrschen. Wenn sich nun auch IHK und Handwerkskammer in die Schlange der Kritiker einreihen, haben sie inhaltlich wenig Neues zu bieten. Dennoch überrascht es, dass erstmals Wirtschaftsverbände die Politik dazu auffordern, Vattenfall in die Schranken zu weisen.

Denn Vattenfall ist immerhin der größte Beitragszahler der IHK Berlin. So wundert es wenig, dass der Stromriese äußerst pikiert auf die Kritik seiner IHK reagiert. Andererseits zeigt es aber auch, wie wütend die Mehrheit der Berliner Unternehmen über die Preispolitik ihres angestammten Stromversorgers ist.

Dennoch darf man die Kritik nicht falsch verstehen. Zwar fordert die Unternehmerlobby den in der Konsequenz an eine Enteignung erinnernden Zwangsverkauf von Kraftwerkskapazitäten. Doch dahinter steckt keineswegs eine Abkehr vom Kapitalismus. Im Gegenteil: Die Unternehmer fordern den dringend notwendigen Eingriff des Staates, damit die freie Marktwirtschaft tatsächlich auch auf dem Energiesektor zum Zuge kommen kann.

Völlig daneben liegt, wer nun wie die Grünen hofft, in der IHK einen Verbündeten für die ökologische Revolution gefunden zu haben. Denn der Kammer geht es nur um eins: billigen Strom. Dafür fordert sie sogar eine länge Laufzeit der Atomkraftwerke und härtere Wettbewerbsbedingungen für den bisher teuer produzierten Ökostrom. Beides dürfte sogar Vattenfall ins Konzept passen. Dennoch muss sich der Konzern warm anziehen. Er hat von den Grünen bis zur CDU fast alle gegen sich aufgebracht. Wenn die Wut der Gewerbetreibenden tatsächlich - wie von der IHK erhofft - dazu führt, dass sie eine eigene, dezentrale Energieversorgung aufbauen, würde die Macht des Oligopols bröckeln.

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