"Shared Space" in der Diskussion: Auf der Straße sind alle gleich

Der Bezirk Mitte prüft, ob er Straßen von Ampeln und Schildern befreien kann. Anderswo ist das ein Erfolg - es gibt deutlich weniger Unfälle.

Könnte in Mitte Geschichte werden: Das Ampelmännchen ist beim Konzept "Shared Space" nicht notwendig. Bild: AP

Statt Schilderwald aufgelockerter Straßenraum, ruhig fließender Verkehr statt Stau vor jeder Ampel und rücksichtsvolle Verkehrsteilnehmer - davon träumt wohl jeder Auto- und Radfahrer, der sich täglich durch die Berliner Mitte quält. Die Wunschvorstellung ist dabei kein Hirngespinst, sondern fußt auf einem europaweit erprobten Konzept: "Shared Space", zu Deutsch: "gemeinsam genutzter Raum". In Mitte wird bis zum Frühjahr geprüft, inwieweit sich die Ideen in dem verkehrsbelasteten Bezirk umsetzen lassen.

"Es eröffnen sich Gestaltungsmöglichkeiten, die wir in Mitte für sinnvoll erachten", sagte am Sonntag der Vorsitzende des Bezirksverkehrsausschusses Jörn Jaath (Grüne). Auf den Antrag seiner Partei hin erörtert das Bezirksamt bis April, in welchen Straßen und ob überhaupt "Shared Space" sinnvoll ist. Das Konzept stammt aus den 1980er-Jahren und geht auf den niederländischen Verkehrsplaner Hans Monderman zurück.

Wie die Idee funktioniert, macht seit vergangenem Jahr das niedersächsische Städtchen Bohmte vor: Ampeln und Schilder sind dort abgebaut, Mittel- und Seitenstreifen übermalt, Kantsteine geschliffen. Autos, Fahrradfahrer und Fußgänger treffen in einem ebenen Straßenraum aufeinander. Mit finanzieller Unterstützung der Europäischen Union setzen derzeit sieben Städte europaweit das Konzept um. In Brandenburg sind Potsdam-Babelsberg, Calau und Luckenwalde dabei, "Shared Space" zu verwirklichen.

In Bohmte sind die Unfallzahlen seit Einführung der neuen Verkehrsordnung drastisch zurückgegangen. "Jeder Euro, den wir investiert haben, hat sich gelohnt", zog eine Sprecherin der Stadt unlängst Bilanz. Ob das Konzept in einzelnen Straßenzügen von Mitte ebenso konsequent umgesetzt werden kann und soll, ist fraglich. Selbst Grünen-Politiker Jaath denkt eher über einzelne Elemente nach. "Da kann mal eine Ampel abgebaut und der Verkehrsraum insgesamt offener und anders gestaltet werden", sagte er der taz.

Die Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus macht sich ebenfalls stark für "Shared Space", selbst die CDU in Pankow hat ihren Bezirk aufgefordert, einen Straßenzug umzubauen.

Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung gibt sich indes eher zurückhaltend. Sie ist für die Hauptverkehrsstraßen zuständig, also etwa die Leipziger Straße. "Wir schauen uns interessante Verkehrslösungen auf jeden Fall an", sagte Sprecherin Manuela Damianakis lediglich.

Jaath will das Argument, "Shared Space" funktioniere nur in Kleinstädten wie Bohmte, nicht gelten lassen. Er verwies auf die viel befahrene Kensington High Street in London. Dort wurden Absperrungen und Übergänge entfernt, Fußgänger dürfen die Straße nach Belieben queren. Das Ergebnis: Autos fahren langsamer, Fußgänger fühlen sich sicherer. Die Unfälle gingen um fast die Hälfte zurück.

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