Super-Uni: Auf leisen Schwingen zur Super-Mini-Uni

Hinter verschlossenen Türen geht es um die Zukunft der Wissenschaftslandschaft. Die von Bildungssenator Jürgen Zöllner favorisierte Super-Uni wollen die Universitäten nicht.

Universität: noch stinknormal Bild: ap

Wenn es am leisesten ist, weht der Wind oft am stärksten: Still und heimlich hat Berlins Wissenschaftssenator Jürgen Zöllner (SPD) sein Risikoprojekt Super-Uni wiederbelebt. Hinter verschlossenen Türen wird derzeit darüber verhandelt, welche Opfer die Berliner Unis für ein internationales Spitzenzentrum in der Hauptstadt in Kauf nehmen würden. Schon jetzt ist klar: Dabei kann alles rauskommen, nur keine Super-Uni. Weil die Hochschulen weiter auf ihren Pfründen sitzen, zeichnet sich statt der Super-Uni nur eine Mini-Uni ab.

Zöllners Chefdiplomat

Für Wissenschaftssenator Zöllner ist das Ringen um die Super-Uni schon sein zweiter Anlauf. Nachdem er im Oktober 2007 für seinen Vorschlag nur barsche Ablehnung erntete, zählt für ihn nun jeder Schachzug. Zöllner setzt auf Geheimdiplomatie: Wer sich in diesen Tagen an den Universitäten umhört, kann außer stillem Rumoren nur wenig vernehmen. Die Pressesprecher mauern, die Unipräsidenten warten ab. Und auch aus der Senatsverwaltung dringt nur die Ruhe vor dem Sturm. Hinter vorgehaltener Hand heißt es: "Das Thema ist hochexplosiv."

Grund für die auffällige Stille in der laufenden Verhandlungsrunde zur Super-Uni sind die Befindlichkeiten, die auf dem Spiel stehen. Denn alle Beteiligten wissen: Es geht um die Spitzenbereiche der drei Berliner Universitäten - und um die Gunst des Wissenschaftssenators. Denn der will sich an seinem Erfolg beim Projekt Super-Uni messen lassen. Damit im Ernstfall aus dem Supersenator nicht ein Minimalminister wird, hat Zöllner jetzt einen eigenen Chefdiplomaten für das Trickspiel um die Uni-Kompetenzen vorgeschickt: Rolf-Michael Catenhusen (SPD) soll sehen, welche ihrer Besonderheiten die Unis abzugeben bereit sind. Der Bundestagsabgeordnete im Ruhestand und frühere Staatsekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung gilt als ausgewiesener Experte im Wissenschaftsbereich - und als abgebrühter Verhandlungsführer. Mit der Ernennung Catenhusens zum Beauftragten sollen die Unis gleichzeitig die Chance bekommen, noch mal von vorne - und ganz in Ruhe - über die Möglichkeiten einer Berlin-weiten Kooperation nachzudenken.

Das müssen sie, und zwar schleunigst. Dem Vernehmen nach klopft Catenhusen in diesen Tagen täglich an eine andere Tür in der Wissenschaftsmetropole. Seine Aufgabe ist es, die Kompetenzen aus den vielseitigen Forschungseinrichtungen der Hauptstadt zu bündeln. Der Unterhändler soll einen Vorschlag erarbeiten, dem die großen Unis einfacher zustimmen können. Denn als das Thema Super-Uni im Herbst zum ersten Mal auf den Tisch kam, waren die Unis wenig begeistert: Die frisch zur Elite gekürte Freie Universität wollte ihre Exzellenz behalten, die Technische Uni ihre Talente nicht verkaufen - und auch der Chefetage an der Humboldt-Uni war der Fusionsvorschlag nicht geheuer. Zu sehr fürchteten die Unis, dass der Berliner Wissenschaftschef ihnen ausgerechnet ihre Aushängeschilder ummontieren wollte.

Mit dem Elitezentrum wollte Zöllner ein internationales Aushängeschild mit Uni-Charakter kreieren: Eigenständige Lehr- und Forschungsbereiche sollten Studierende ausbilden und DoktorandInnen begleiten. Aber genau das war den Unis ein Dorn im Auge. Gemeinsam erklärten sie bereits im vergangenen Jahr: Die Graduierten- und Promotionsrechte bleiben an den Unis. Denn die Hochschulen fürchten, dass Zöllners Uni-Konstrukt ihren eigenen Exzellenzbemühungen Paroli bieten könnte.

Bleibt alles beim Alten?

Während die Humboldt-Uni sich in dem Streit weitgehend zurückgehalten hatte, sah das Gegenmodell der Freien Universität (FU) und der Technischen Uni (TU) so aus: Sie wollten sich bestenfalls auf eine Stiftung einlassen. Diese sollte Geld einwerben - und dieses dann an die einzelnen Unis verteilen. Ein Vorschlag, dem jedeR zustimmen konnte, weil außer zusätzlichen Mitteln alles beim Alten bliebe.

Während FU und TU ihr Konzept gemeinsam vertraten, war es an der HU lange still um die Idee. Gerade deren Präsident Christoph Markschies ist es, der in diesen Tagen mit einem dritten Vorschlag wieder Bewegung in die Debatte brachte. Kurz vor den weiteren Verhandlungsschritten geht Markschies in seinen Ideen weit über die Vorschläge von FU und TU hinaus. Zwar will auch er die Ausbildungskompetenzen bei den Unis halten, doch gleicht sein Vorschlag deutlich dem einer Mini-Universität: So hat Markschies bereits konkrete Vorschläge für vier verschiedene Fachbereiche unterbreitet - und namentlich benannt: Physik, Lebenswissenschaft, Transregionale Studien und Wissenschaftsgeschichte. Sie sollen organisatorisch gemeinsam verwaltet werden, aber inhaltlich autark agieren können. Kurz: Sie sollen ähnlich einer Universität strukturiert sein.

Kompromiss in Sicht

Zwar soll das neue Konstrukt unter dem Dach einer Stiftung organisiert sein, doch übersetzt heißen die Pläne: Markschies ist für eine neue Mini-Uni mit vier Fachbereichen - und einem Schwerpunkt auf Kooperationen mit außeruniversitären Einrichtungen wie dem Max-Planck- oder dem Fraunhofer-Institut. Damit hat der HU-Präsident einen großen Schritt auf Zöllner zugetan - und als Einziger öffentlich einen nun heiß gehandelten Kompromissvorschlag präsentiert. Gleichzeitig stehen seine Kollegen von FU und TU nun unter Zugzwang im Uni-Poker. Dort will sich zu den HU-Plänen nun niemand äußern. TU-Pressereferentin Patricia Pätzold-Algner sagte: "Unsere Haltung ist bekannt, und daran hat sich auch nichts geändert. Nun warten wir die weiteren Verhandlungen ab."

Unbestritten ist allerdings auch unter den Uni-Präsidenten, dass Berlin eine neue Wissenschaftsstruktur braucht - mit etlichen hochkarätigen nichtuniversitären Forschungseinrichtungen und drei großen Universitäten verfügt die Hauptstadt über die vielfältigste - und für manche auch unübersichtlichste - Wissenschaftslandschaft in der Bundesrepublik.

Kooperation tut not

Weil die Fachbereiche der Unis aber im Exzellenzwettbewerb gerade erst gelernt hatten, erfolgreich gegeneinander anzutreten, tun sich die Unis jetzt schwer mit einer Kooperation. "Gerade das ist aber nötig. Anstatt uns in einzelnen Fachbereichen gegenseitig auszustechen, sollten wir diese lieber zusammenführen", sagte Humboldt-Uni-Präsident Markschies der taz.

Verbundforschung ist das Stichwort, unter dem daher nun die Verhandlungen für die neue Mini-Uni stehen: Neben den drei Universitäten sollen vor allem auch die nichtuniversitären Einrichtungen wie etwa die Fraunhofer- oder die Max Planck-Gesellschaft in das Zentrum eingebunden werden. Die Steilvorlage für dieses Projekt hat Markschies selbst geliefert. Alles deutet darauf hin, dass sein Kompromisskonzept gute Chancen hat, die Grundlage für die Verhandlungen über eine Mini-Uni zu werden: Die Universitäten hätten ein wenig Bewegungsfreude bewiesen, und der Wissenschaftssenator hätte etwas zum Vorzeigen. Das heißt dann sicher weder Super-Uni noch Mini-Uni, sondern irgendwas mit "Excellence".

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