Grünzeug: Aufbäumen gegen das Bezirksamt

Der Bezirk Pankow lässt im Gleimviertel 60 Bäume fällen. Sie seien krank und eine Gefahr für Passanten. Die Anwohner wollen das nicht glauben. Sie kämpfen um jeden Baum - und so werden die Fällaktionen zum mittelgroßen Polizeieinsätzen.

Anderorts fallen die Bäume im Sturm, in Berlin müssen sie auch aus anderen Gründen dran glauben. Bild: AP

Thomas Loew steht auf der Straße und klammert sich an einen Baum. Der 44-Jährige wirkt verzweifelt, wie auch seine rund 15 Mitstreiter, allesamt Bewohner des Gleimviertels in Prenzlauer Berg. Gemeinsam wollen sie die Fällung von fünf Traubenkirschbäumen am Rand der Ystader Straße verhindern. Ihnen gegenüber stehen zehn Polizisten. Mehrfach wiederholen die Beamten die Aufforderung, den Baum loszulassen. Dann geben Loews Mitstreiter den Widerstand auf. Loew selbst lässt sich von der Polizei wegtragen. Der Baum fällt, wie noch drei andere.

Schon seit Wochen wehren sich Anwohner des Viertels gegen die Fällaktion, die den ganzen Kiez betreffen. Grundlage dafür ist ein Gutachten des Bezirksamts für Umwelt und Naturschutz. Anfang April legte das Amt - bereits zum zweiten Mal - eine Untersuchung vor, wonach 60 Bäume wegen akuter Bruchgefahr gefällt werden müssten. Die Bäume sollen von starker Wurzel- und Stockfäule befallen sein. Das erste Gutachten, das die Krankheit von 95 Bäumen bescheinigte, hatten die Bürger zurückgewiesen. Doch auch die neue, von zwei unabhängigen Gutachtern erstellte Untersuchung bekommt bei den Anwohnern keine Zustimmung.

Kampf der Gutachter

Die Bürgerinitiative war zwar zur Vorstellung der Ergebnisse des Gutachtens am 11. April eingeladen. Aber die Bürger fühlten sich überrumpelt. "Wir hatten ja nur drei Tage Zeit, um uns das Gutachten anzusehen", berichtet Jaqueline Röber vom Bürgerverein Gleimviertel. Nach diesem Termin begann das Bezirksamt die ersten Bäume zu fällen.

Die Initiative wollte das nicht tatenlos hinnehmen und hat eine eigene Untersuchung in Auftrag gegeben. "Unser Gutachter hat festgestellt, dass nicht so viele Bäume gefällt werden müssen, wie das Amt sagt", berichtet Röber. "Deswegen wehren wir uns." Und deswegen muss das Bezirksamt zu den Fällaktionen mit Polizeischutz anrücken. Bezirksbürgermeister Matthias Köhne (SPD) versteht die Aufregung der Bürger nicht: "Mir kommt es langsam so vor, als ginge es den Leuten nicht um die Bäume, sondern nur darum, Krawall zu machen."

Für viele Anwohner ist der Kampf um die Bäume allerdings essenziell. "Na klar ist das nur ein ganz normaler Straßenbaum. Aber wenn er direkt vor der Haustür gefällt wird, ist das etwas sehr Emotionales", sagt Jaqueline Röber.

"Trotzdem kein Grund, sich aufzuregen", findet Matthias Köhne. "Wir prüfen jetzt die Standortbedingungen und werden dann auch wieder neue Pflanzungen in Auftrag geben." Wenn bei einem Sturm einer der kranken Bäume umfalle, habe er am Ende die Klage auf dem Tisch.

Warten auf die Polizei

An diesem Morgen haben die Bürger die Parkverbotsschilder der Straße entfernt und mit ihren Autos den Zugang zu den Bäumen versperrt. Seit sieben Uhr warten sie, was passiert. Gegen neun Uhr kommt der Abschleppdienst, mit ihm auch die Polizei. 15 Anwohner halten sich an den Händen und umklammern den ersten Baum, eine Anwohnerin macht Krach mit zwei Töpfen. Aus einem Fenster erklingt eine Geige. "Das ist eine Schweinerei", ruft eine Anwohnerin vom Balkon.

Auch Volker Ratzmann ist vor Ort. "Sie können den Baum hier nicht einfach fällen. Da ist ein Vogelnest drauf. Das erfordert ein Gutachten", erklärt der Fraktionsvorsitzende der Grünen dem Vertreter des Umweltamts. Der Baum wird verschont - zumindest vorerst. Vier weitere Traubenkirschen fallen. Doch schon an diesem Freitag sollen die nächsten Bäume umgehauen werden, in der Gaudystraße. Die Initiative hat Proteste angekündigt.

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