Regionalzüge in Berlin-Brandenburg: Bahn-Konkurrenz gewinnt Ausschreibung

Mitten im S-Bahn-Chaos hat der Verkehrsverbund entschieden: Die DB Regio verliert ein Drittel ihrer Strecken an die Konkurrenz, etwa den RE 2 nach Cottbus.

Odeg-Zug in Brandenburg Bild: Kipping / Odeg

Schlechte Nachricht für Bahn-Chef Rüdiger Grube: Einen Tag nach dem Bahngipfel mit Berlins Regierendem Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) wurde bekannt, dass die Bahntochter DB Regio ein Drittel des lukrativen Regionalverkehrs in Berlin und Brandenburg an die Ostdeutsche Eisenbahn GmbH (Odeg) verliert. Das ist das Ergebnis einer Ausschreibung zahlreicher Strecken durch den Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB).

Eine neue Sicherheitsverfügung des Eisenbahnbundesamts wirbelt die Fahrpläne noch mehr durcheinander. Nach der S-Bahn ist nun auch der regionale Zugverkehr in Berlin-Brandenburg betroffen. Alle Eisenbahnunternehmen und Fahrzeughalter des Typs "Regio Shuttle 1" sollen aus Sicherheitsgründen durchgecheckt werden. Züge, die länger als 360.000 Kilometer im Einsatz sind, müssten sofort in die Werkstatt, so der Bescheid der Bahnaufsichtsbehörde. Die ostdeutschen Eisenbahngesellschaft (Odeg), die im Südosten Berlins und in Ostbrandenburg Strecken betreibt und gerade den Zuschlag für 7 Millionen weitere Kilometer bekommen hat (siehe oben), reagierte sofort. 10 von 23 Odeg-Bahnen in der Region wurden aus dem Verkehr gezogen.

Der Hintergrund: Im Regio Shuttle der Deutschen Bahn in Baden-Württemberg hatten in den letzten Wochen fünfmal Motoren gebrannt. Der Abgasturbolader, ein Teil des Motors, muss jetzt bei einigen Zügen des besagten Typs ausgetauscht werden. Im Regionalverkehr Berlin-Brandenburg würden Fahrzeuge diese Bauart nicht von der Deutschen Bahn eingesetzt, sagte eine Sprecherin. Ein Chaos wie bei der S-Bahn bleibt der DB im Regionalverkehr also erspart.

Betroffen sind jedoch die Fahrgäste der ostdeutschen Zuggesellschaft Odeg - ohne dass auf Zügen von Odeg jemals ein Motor gebrannt hat, wie Betriebsleiter Jörg Kiehn betont. Zehn Züge sind aus dem Verkehr genommen worden. Die Deutsche Bahn habe freundlicherweise Unterstützung zugesagt. Auf den betroffenen Strecken werde der DB-Regionalexpress zusätzlich halten.

Die Werkstattarbeiten würden sich auch nicht lange hinziehen, weil Odeg nach den Bränden in Baden-Württemberg - vor der Anweisung des Eisenbahnbundesamts also - "in weiser Voraussicht" Ersatzteile bestellt habe, sagte Kiehn. Abgasturbolader würden nämlich nicht von einem Tag auf den anderen geliefert. "Eigentlich wollten wir die Arbeiten in unserer Werkstatt in Eberswalde nach und nach machen." Aber auch jetzt werde es schnell gehen, da die Ersatzteile schon auf dem Weg seien. "Nächste Woche", so Kiehn, "werden wir hoffentlich weitestgehend fertig sein".

Bei der S-Bahn, wo ein Drittel der Züge seit zwei Wochen stillsteht, freute man sich am Dienstag über Dinge, die eigentlich selbstverständlich sein sollten. "Der Basisfahrplan hat gut geklappt", sagte ein Unternehmenssprecher. PLUTONIA PLARRE

Offiziell wollen sich bislang weder VBB-Chef Hans-Werner Franz noch Brandenburgs Verkehrsminister Reinhold Dellmann (SPD) äußern. Gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters bestätigte allerdings Odeg-Betriebsleiter Jörg Kiehn, dass sein Unternehmen den Zuschlag für 7 Millionen der insgesamt ausgeschriebenen 22 Millionen Zugkilometer erhalten habe. Dazu gehören nach Informationen der taz der Regionalexpress RE 2 zwischen Stendal, Rathenow, Berlin und Cottbus, der RE 4 zwischen Wismar, Berlin und Jüterbog sowie die Regionalbahnen RB 33 zwischen Jüterbog und Wannsee, die RB 51 zwischen Brandenburg und Rathenow und die RB 35 zwischen Fürstenwalde und Bad Saarow. Bei der DB Regio bleibt unter anderem die am meisten frequentierte Regionalexpresslinie 1 zwischen Magdeburg, Berlin und Frankfurt (Oder). Die Odeg soll ihren Betrieb Ende 2011 aufnehmen.

Gegen die Ausschreibung, die im Oktober 2008 begann, hatte es immer wieder Proteste gegeben. Zuletzt protestierten im Februar 2.500 Eisenbahner in Berlin gegen angeblich drohenden Jobverlust. Demgegenüber betonte der VBB, dass die Ausschreibung für die beteiligten Bundesländer eine Einsparung von jährlich 30 Millionen Euro bedeutet. Gegenüber der taz bekräftigte der Sprecher von Verkehrsminister Dellmann, Lothar Wiegand, dass die Einsparungen zur Verbesserung des Angebots genutzt würden. So sollen die Regionalzüge zwischen Potsdam und Berlin künftig im Viertelstundentakt fahren.

Rechtskräftig ist das Ergebnis allerdings noch nicht, wie Wiegand betonte: "Vierzehn Tage nach Eingang des Ablehnungsschreibens können die jeweils Unterlegenen für eines der vier Ausschreibungslose Widerspruch einlegen", sagte der Ministeriumssprecher. Im Ausschreibungsverfahren waren zuletzt nur noch die DB Regio und die Odeg übrig geblieben. Zudem sollte eine sogenannte Loslimitierung verhindern, dass ein Bewerber den Zuschlag für alle Strecken bekommt. Ob die DB Regio gegen das Ergebnis Einspruch erhebt, ließ die Bahntochter offen.

Die Grünen begrüßten die Entscheidung des VBB. "Hätte es eine Ausschreibung auch für einzelne S-Bahn-Strecken gegeben, wäre uns das Chaos vielleicht erspart geblieben", sagte die verkehrspolitische Sprecherin ihrer Partei im Abgeordnetenhaus, Claudia Hämmerling.

Die Bahngewerkschaften Transnet und GDBA forderten sowohl die DB Regio als auch die Odeg auf, Tarifverträge einzuhalten. Beide Organisationen bekräftigten zudem ihre Forderung nach dem Abschluss eines Branchentarifvertrages. "Nur damit lässt sich ein Wettbewerb auf dem Rücken der Beschäftigten verhindern", sagten Transnet-Vorstand Reiner Bieck und GDBA-Vize Heinz Fuhrmann.

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