Erinnerungspolitik: Bahn verweigert Zugeinfahrt

Der "Zug der Erinnerung" an die Nazizeit darf nicht in den Hauptbahnhof und den Bahnhof Grunewald einfahren - laut Bahn aus technisch-organisatorischen Gründen. Die Initiatoren halten das für vorgeschoben.

Diesen Zug will Bahnchef Mehdorn in seinem Glaspalast nicht sehen. Bild: DPA

Am 12. April gibt es um 18 Uhr eine Gedenkveranstaltung am Brandenburger Tor mit Protestzug zur Zentrale der Bahn am Potsdamer Platz. Der Zug soll laut Plan am 13. April im Hauptbahnhof einlaufen, weitere Stationen sind Lichtenberg, Schöneweide, Westhafen, Grunewald.

Die Deutsche Bahn will den "Zug der Erinnerung" erneut aufs Abstellgleis schieben. Die rollende Ausstellung darf nicht wie geplant am 13. April in den Hauptbahnhof und den Bahnhof Grunewald einfahren. Das teilte die Bahn der Bürgerinitiative "Zug der Erinnerung" am Mittwochabend mit. Die Ausstellung erinnert an die Beteiligung der Reichsbahn an der Deportation von mehr als 12.000 Kindern in die nationalsozialistischen Vernichtungslager.

Die Initiative beharrt allerdings auf einem Stopp ihres Zuges "an diesen zentralen Stellen", sagte Sprecher Rüdiger Minow der taz. "Es muss ein angemessenes Gedenken geben." Sollte die Bahn bei ihrer Weigerung bleiben, will die Initiative die Aufsichtsbehörde Bundesnetzagentur einschalten.

Die Bahn begründet ihre Absage damit, dass im Hauptbahnhof die Sicherheit gefährdet sei durch die alte Dampflok, die die Waggons zieht. "Wir können die Rauchmeldeanlage nicht ausschalten", sagte ein Bahnsprecher der taz. Außerdem werde der Zugverkehr auf der Ost-West-Trasse zu sehr behindert, wenn dort ein Gleis für die Ausstellung gesperrt werde. Ähnlich hatte die Bahn vor kurzem beim Hamburger Hauptbahnhof argumentiert. Nach Protesten konnte der Zug dann dort aber doch am Ostermontag einfahren. "Das sind offensichtlich willkürliche Verbote, die nach politischen Interventionen sofort in sich zusammen fallen", sagte Minow.

Auch den Halt im Bahnhof Grunewald, einem der zentralen Deportationsbahnhöfe, will die Bahn verhindern. Dort gebe es keinen Bahnsteig, an dem der Zug halten könnte, so der Bahnsprecher. Auch das Gleis 17, an dem ein Mahnmal an die Deportationen erinnert, sei stillgelegt. "Man kann da nicht ran." Das bezweifelt Dirk Stegemann von der lokalen Initiative, die die Ausstellung nach Berlin holt. "Wir meinen, dass ein Zug hinter dem Stellwerk, parallel zur Gedenkrampe, halten kann."

Stegemann hofft nun, dass öffentlicher Druck die Bahn doch noch zum Einlenken bewegen kann. "Wir suchen einen Kompromiss." Denkbar sei etwa, mit einer modernen Lok in den Hauptbahnhof einzufahren. "Es gibt immer Wege, wenn man will - aber offenbar will die Bahn nicht."

Auch Landespolitiker zeigten sich empört: Kulturstaatssekretär André Schmitz (SPD) äußerte sein "Unverständnis" über die Absage der Bahn. Evrim Baba, frauenpolitische Sprecherin der Linke-Fraktion, nannte die Politik von Bahnchef Hartmut Mehdorn gegenüber der Ausstellung "dreist und zynisch" und die Begründung für die Absage "unverschämt". Baba versprach: "Wir gehen auf die Barrikaden." Auch Brigitte Lange, kulturpolitische Sprecherin der SPD, sagte, Mehdorn habe die Ausstellung von Anfang an nicht gewollt. "Da wird jetzt nach fadenscheinigen Begründungen gesucht."

Die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Berlin, Lala Süsskind, nannte die Entscheidung der Bahn "unerklärlich" - und sie würde sich "freuen, wenn die Deutsche Bahn diesen unsäglichen Beschluss noch einmal überdenken würde", sagte sie der taz.

Der Zug fährt seit vergangenem Herbst durch deutsche Städte und soll am 8. Mai in Oswiecim (Auschwitz) ankommen. Das von Bürgerinitiativen initiierte Projekt entstand nach der Weigerung der Bahn, eine Ausstellung über die Deportation französisch-jüdischer Kinder in ihren Bahnhöfen zu zeigen. Inzwischen hat die Bahn eine eigene Ausstellung "Sonderzüge in den Tod" eröffnet.

Der Zug der Erinnerung werde dagegen von der Bahn massiv behindert, so Minow. Damit meint er auch die Kosten für Trassennutzung und Strom, die das Unternehmen der Initiative in Rechnung stellt. Für Berlin rechnet Stegemann mit Kosten von 40.000 Euro. Der Bahnsprecher erklärte, man sei dazu gesetzlich gezwungen. "Aber wir denken darüber nach, später das Geld an ein anderes Projekt zu spenden."

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