Berliner Wirt vor Gericht: Beihilfe zum Komasaufen

Ein Jugendlicher macht mit einem Wirt in Berlin-Charlotenburg Wettsaufen, fällt ins Koma und stirbt. Nun stehen die Bedienungen vor Gericht.

Sah der Wirt offenbar als Freibrief: Der Junge war schon 16. Die 45 Tequila waren trotzdem zu viel. Bild: ap

Es war ein Wettsaufen mit ungleichen Startbedingungen und tödlichem Ausgang: Anfang des Jahres 2007 starb der 16-jährige Gymnasiast Lukas W. aus Dahlem, nachdem er mindestens 45 Tequila getrunken hatte. Mit den Details beschäftigt sich von diesem Donnerstag an das Berliner Landgericht.

Den hochprozentigen Alkohol hatte der Schüler im vergangenen Februar bei einem Wetttrinken mit dem Wirt des Lokals Eye T am Spandauer Damm in Charlottenburg getrunken. Der Wirt soll dabei seine Bedienung angewiesen haben, dass ihm selbst nur Wasser eingeschenkt wird, während der Schüler seine Gläser mit Tequila erhielt. Erst nachdem die Bedienung nach ungefähr 25 Gläsern versehentlich die Gläser vertauschte und Lukas W. bemerkte, "Schmeckt ja wie Wasser", soll auch der Wirt Tequila getrunken haben.

Das Saufgelage dauerte nur eine halbe Stunde - dann wurde Lukas W. bewusstlos. Der Wirt floh aus dem Lokal, Gäste alarmierten den Notruf. Bei W. wurde ein Blutalkoholwert von 4,4 Promille festgestellt. Nach rund vier Wochen im Koma erlag er seiner Alkoholvergiftung.

In dem Prozess ist nun zunächst die Bedienung angeklagt: Den drei Aushilfen im Alter zwischen 17 und 21 Jahren wirft die Staatsanwaltschaft Beihilfe zu gefährlicher Körperverletzung vor. Vor Gericht steht auch ein 18-jähriger Freund des Wirtes. Er soll die Trinkmengen des Schülers auf einer Strichliste notiert haben - und sieht sich nun mit dem Vorwurf der Beihilfe zur Körperverletzung mit Todesfolge konfrontiert. Er ist nach Angaben der Justiz der Einzige, der im Ermittlungsverfahren geständig war. Für den Prozess sind zwei Verhandlungstage angesetzt.

Der Prozess gegen den Wirt wegen Körperverletzung mit Todesfolge findet später statt. Er hatte zunächst behauptet, der Schüler sei bereits betrunken ins Lokal gekommen und habe bei ihm nur Bier erhalten. Der Wirt soll auch in einem anderen Fall mit einem jungen Gast um die Wette getrunken haben, bis dieser ebenfalls bewusstlos geworden sei. Im April hatte der Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf schließlich die Kneipe wegen "fortwährend begangener Verstöße gegen den Jugendschutz" dichtgemacht - seit Juli sitzt der Wirt in Untersuchungshaft.

Der Fall hatte eine bundesweite Debatte über exzessiven Alkoholkonsum von Jugendlichen ausgelöst. Dabei gerieten insbesondere Flatratepartys in die Kritik, bei denen einmalig ein hoher Eintrittspreis zu zahlen ist, wofür dann alle Getränke kostenfrei sind. Dennoch werden in Berlin weiterhin jedes Wochenende Minderjährige betrunken auf der Straße gefunden und ins Krankenhaus eingeliefert.

Als Reaktion auf den Fall hatte im September der Bezirk Lichtenberg Flatratepartys in der Diskothek Tollhaus verboten. Der Betreiber wehrte sich juristisch gegen das Verbot - er mache bei Flatratepartys dreimal so viel Umsatz wie an anderen Abenden. Vor dem Verwaltungsgericht bekam jedoch der Bezirk recht: Bei Partys dieser Art bestehe "eine Gefahr für die Gesundheit der Gäste".

Die Arbeiterwohlfahrt Berlin warnt, dass die Zahl jugendlicher Alkoholkonsumenten weiter steigt (s. Kasten). "Junge Menschen trinken verstärkt Hochprozentiges. Dieses Suchtverhalten können wir klar erkennen", sagt Sprecher Sascha Braun. Gerade bei Jugendlichen könne das schnell zur Abhängigkeit führen, da ihre "Fähigkeit, sich selbst zu kontrollieren, geringer ausgeprägt ist als bei Erwachsenen".

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