Kommentar: Berlin riskiert seinen Ruf

Das als liberal geltende Land zeigt Härte bei der Umsetzung des Bleiberechts für langjährig Geduldete. Dabei sind die Anforderungen an die Flüchtlinge auch so schon sehr hoch.

Bisher galt Berlin in Sachen Flüchtlingspolitik als verhältnismäßig liberal. Das passte zum Anspruch des Senats, die Stadt als weltoffen zu präsentieren. Doch den guten Ruf setzt das Land nun beim Bleiberecht aufs Spiel. Denn die Bilanz nach einem Jahr ist mager: Über 3.000 langjährig Geduldete haben einen Antrag gestellt, nur ein Fünftel davon wurde bis jetzt bewilligt. Das benachbarte Brandenburg hat das Gesetz großzügiger ausgelegt. Selbst im konservativen Bayern waren die Behörden mit den Flüchtlingen längst nicht so streng wie in Berlin.

Weshalb diese Härte? Die Anforderungen an die Geduldeten sind auch so schon sehr hoch. Sie alle haben fast ein Jahrzehnt nicht gearbeitet, sie durften es nicht - und sollen nun von heute auf morgen fit sein für den ersten Arbeitsmarkt. Schon vielen deutschen Langzeitarbeitslosen gelingt es nicht, einen Job zu finden. Wie viel schwieriger ist es dann für die Flüchtlinge, die teilweise nicht einmal flüssig Deutsch sprechen?

Unter den Geduldeten sind sowohl ausgebildete Handwerker als auch Akademiker. Doch viele Abschlüsse werden hierzulande nicht anerkannt. Daraus ergibt sich das nächste Problem: Flüchtlinge gelten häufig als ungelernte Kräfte. Die Stellen, die für sie infrage kommen, sind entsprechend schlecht bezahlt. Der Ausländerbehörde müssen sie jedoch nachweisen, dass ihr Einkommen mindestens so hoch ist wie der Hartz-IV-Regelsatz. Ein Widerspruch, der dazu führen kann, dass selbst arbeitswillige und arbeitsfähige Flüchtlinge die Anforderungen nicht erfüllen. Und dann doch wieder in die Sozialhilfe rutschen - und ihre Abschiebung riskieren.

Davon hat niemand etwas, weder die Geduldeten noch das Land. Über 2.000 Anträge sind noch nicht entschieden. Die Bearbeiter täten gut daran, den Spielraum zugunsten der Flüchtlinge zu nutzen. Möglich ist es: Die anderen Bundesländer haben es vorgemacht.

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