Arbeitslose: Bund will schnellere Zwangsumzüge

In Berlin können Hartz-IV-Empfänger ihre zu teure Wohnung länger behalten als in anderen Bundesländern. Der Bundestag mahnt nun eine republikweit einheitliche Regelung an - und stellt den Senat damit vor ernste Probleme.

In Berlin gibt es 346.000 so genannter Bedarfsgemeinschaften - Menschen, die Hartz IV bekommen und die Miete obendrein. Ob die Wohnung, in der sie leben, zu groß oder zu teuer ist, wird erst nach zwölf Monaten überprüft. Für viele, auch für die Linkspartei, ist das gerecht.

Für alle andern Bundesländer ist es ein Alleingang der Berliner rot-roten Koalition. Die zuständigen Ämter in Stuttgart, Hamburg oder Düsseldorf fordern Hartz IV-Empfänger, die in zu großen oder zu teuren Wohnungen leben, bereits nach einem halben Jahr zum Zwangsumzug auf. Nicht, weil sie weniger gerecht wären, sondern Geld sparen wollen. Diesem Argument hat sich nun auch der Bund angeschlossen, der den Ländern ein Drittel des Wohngeldes zuschießt. Am Mittwoch forderte der Rechnungsprüfungsausschuss des Bundestags, die Fristen zu vereinheitlichen. Und gab Rot-Rot in Berlin damit eine dicke Nuss zu knacken.

Ein Koalitionskrach, wie ihn nun manche Medien herbeischreiben wollten, ist allerdings nicht in Sicht. Zwar schickte die Senatskanzlei einen Brief ans Arbeitsministerium, in dem eine Änderung der Fristenregel angedeutet wurde. Doch dieser Brief, heißt es nun, sei ein "Missverständnis" gewesen. "Wir haben keinen Konflikt", sagt die SPD-Sozialpolitikerin Ülker Radziwill. "Die bisherige Praxis war der richtige Weg für Berlin." Allerdings müsse man prüfen, ob man diesen Weg aufrechterhalten könne.

Diejenige, deren Haus die Prüfung vornimmt, ist Sozial- und Integrationssenatorin Heidi Knake-Werner (Die Linke). Nach Aussagen ihrer Sprecherin Katina Schubert werde derzeit sowohl die Fristen bis zur Aufforderung zum Umzug geprüft als auch die Höhe der Wohnkosten. 342 Euro zahlt Berlin im Schnitt für die Wohnkosten. In München sind es 411 Euro. Der Durchschnitt liegt bei 337 Euro.

Auch Schubert sagt, dass man mit der bisherigen Regel gute Erfahrungen gemacht habe. "Fast die Hälfte der Hartz IV-Empfänger bekommt innerhalb eines Jahres wieder einen Job", sagt sie. Diese positive Tendenz wolle man nicht behindern, indem man die Betroffenen auch noch zum Umzug zwinge. Bis zur Sommerpause will ihre Verwaltung eine Vorlage erarbeiten.

Gut möglich, dass der Streit zwischen Bund und Berlin dann in die nächste Runde geht. Aber selbst wenn die große Koalition im Bund damit droht, dem Senat den Geldhahn zuzudrehen, ist noch nichts entschieden. Nach Informationen der taz müsste der Bund in jedem Einzelfall nachweisen, dass die Frist von einem Jahr zum Zwangsumzug die öffentliche Hand teurer kommt als die Halbierung auf sechs Monate. Schließlich gilt: Wer nach sieben Monaten wieder einen Job kriegt, spart dem Staat immerhin fünf Monate Hartz IV.

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