Nahverkehr: BVG-Chef aus der Bahn geworfen

Der Vertrag von BVG-Chef Andreas Sturmowski wird nicht verlängert. Günde sind hohe Verluste bei riskanten Finanzgeschäften. CDU sieht in seiner Entlassung ein "Bauernopfer", die FDP hingegen freut sich.

Bald ohne BVG-Ticket: Andreas Sturmowski blickt ohne Vertrag in die Zukunft Bild: ap

Der Chef der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG), Andreas Sturmowski, muss gehen. Sein Vertrag, der noch bis Oktober 2010 läuft, soll nicht verlängert werden, beschloss das zuständige BVG-Gremium unter Beteiligung von Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos). "Der Personalausschuss hat dem Aufsichtsrat vorgeschlagen, Sturmowskis Vertrag nicht zu verlängern", sagte Nußbaums Sprecher am Mittwoch. Der 55-jährige Sturmowski war seit 2005 Chef der BVG; vorher arbeitete er als Manager bei der Lufthansa und der Deutschen Bahn.

Der Finanzsenator gab offiziell keine Gründe für die Entscheidung bekannt, doch die Verkehrspolitikerin der Linksfraktion, Jutta Matuschek, sagte: "Ein Chef muss auch die Folgen tragen, wenn er sich auf Spekulationen einlässt, die schief gehen." Sturmowski habe sich "auf Risiken eingelassen, die nicht notwendig waren und dem Unternehmen nicht gedient haben".

Grund für den Rauswurf Sturmowskis sind also offenbar die Verluste im Zusammenhang mit dem sogenannten Cross-Border-Leasing der BVG. Dabei handelt es sich um Scheingeschäfte, bei dem auf dem Papier Trams und U-Bahnen an ein US-Unternehmen vermietet und gleichzeitig wieder zurückgemietet wurden. Ziel der Transaktion war es, ein Steuerschlupfloch in den USA auszunutzen und den dadurch entstandenen Gewinn zwischen US-Unternehmen und BVG aufzuteilen.

In den Jahren 1997 bis 2002 - also noch vor Sturmowskis Zeit - hatte die BVG insgesamt 22 Cross-Border-Leasing-Verträge über 427 U-Bahn-Wagen und 511 Trams abgeschlossen. Die Laufzeit der Verträge reichte von 12 bis 30 Jahren. Das Unternehmen machte damit einen Gewinn von 69 Millionen Euro. Bei einer Umfinanzierung des Geschäfts hatte die BVG im Juli 2007 von der Bank JP Morgan in ein sogenanntes CDO-Paket (Collateralized Debt Obligation) über 157 Millionen Euro investiert. Eine echte Fehlentscheidung - denn darunter befanden sich Papiere der inzwischen bankrotten Investmentbank Lehman Brothers, sowie von drei isländischen Banken. Dieser Deal wird Sturmowski nun zum Verhängnis.

Inzwischen klagt die BVG gegen JP Morgan. Die Bank habe die Manager falsch beraten, so die BVG. Außerdem hätten die BVG mit dem Abschluss von dermaßen spekulativen Geschäften ihre Kompetenzen als öffentlich-rechtliche Anstalt überschritten. Weil sie das Geschäft nie hätten abschließen dürfen, sei es nichtig. Dabei holte die BVG sich bereits die erste Niederlage: Der Londoner Royal Court of Justice erklärte sich für zuständig. Das Verfahren wird also nicht wie von der BVG gewünscht in Deutschland stattfinden.

Die CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus kritisiert, der BVG-Chef werde "zum Bauernopfer für die Fehlleistungen des ehemaligen Finanzsenators und Aufsichtsratsvorsitzenden Sarrazin gemacht". Dieser habe als Aufsichtsratsvorsitzender der BVG seine Zustimmung zu den Geschäften gegeben. Sturmowski dagegen habe "einen herausragenden Job hinsichtlich der extremen Situation bei der S-Bahn gemacht" und mit enormem Einsatz versucht, das Chaos dort durch zusätzliche Fahrten von U-Bahnen und Bussen auszugleichen. Ihn für die Fehlspekulationen abzustrafen sei "ein typischer Reflex dieses an Arroganz krankenden Senats".

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Die FDP sieht in Sturmowskis Abgang "ein positives Signal für alle Nutzer", so Fraktionschef Christoph Meyer. Es gebe nun die Chance, "eine Persönlichkeit auszuwählen, die den anspruchsvollen Anforderungen gewachsen ist". Auch beim Umzug der Zentrale sei das Kostenmanagement der BVG mangelhaft gewesen.

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