Zwei Jahre Kultursenator im Nebenjob: Das Kulturphänomen Wowi

Vor zwei Jahren schleifte Klaus Wowereit das Amt des Kultursenators und macht seither selbst in Kultur. Das tat er erfolgreich. Aber mittlerweile lahmt er etwas.

Klaus Wowereit mit Dame Bild: REUTERS

Seit genau zwei Jahren ist Klaus Wowereit (SPD) Kultursenator und zugleich Regierender Bürgermeister Berlins. Die Reihenfolge - erstens Kultur und zweitens Regierungschef - ist wichtig. Sieht Wowereit sich doch selbst, wie auch die Majorität der Bevölkerung, mehr als kulturpolitische Größe denn als nur administrativ operierender Landesvater. Was keineswegs ungewöhnlich ist: Wie für jeden Instinkt- und Machtpolitiker - und das ist Wowereit - bildet Kulturpolitik das Medium, die Strahlkraft und Popularität als Regierungschef zu steigern.

Wowereit, im November 2006 noch arg angegangen worden wegen des von ihm installierten "Nebenjobs als Teilzeitsenator", scheint sich im November 2008 keine Sorgen um seine Akzeptanz als Kulturchef machen zu müssen. Aufschreie wie die der früheren und "echten" Kultursenatorin Adrienne Göhler sowie der Sofiensæle-Intendantin Amelie Deuflhard, dass "Kultur mit Wowereit zur Nebensache in Berlin wird", gibt es zwar noch. Zu hören sind sie jedoch seltener und weniger laut.

Auch den Dolchstoß, mit dem Wowereit bei den Koalitionsverhandlungen 2006 der Linkspartei das Amt des Kultursenators wegnahm, um den Rivalen Thomas Flierl (Linke) abzusägen, hat die Stadt vergessen - oder ihm wohlwollend verziehen.

Es mutet aus der Rückschau nur logisch an, dass sich Wowereit zu Beginn seiner Amtszeit ein paar schwere Brocken aussuchte, um dann die Dinge umso lockerer weiterlaufen zu lassen. Erst räumte er bei der Opernstiftung auf. Michael Schindhelm, Generaldirektor der Opernstiftung, kündigte Ende 2006. Der Kultursenator holte dafür Stefan Rosinski als neuen Generaldirektor an Bord. Keinen Monat später schlug Wowereit im Kanzleramt auf. Die Sanierung der maroden Staatsoper Unter den Linden wollte Wowereit dem Bund überlassen. Pampig versuchte er, Kulturstaatsminister Bernd Neumann und Angela Merkel (beide CDU) die Baustelle unterzujubeln. Das Haus heiße nicht "Stadtoper", sondern "Staatsoper", ließ er seine Wut an Neumann aus.

Mit der Verpflichtung Ulrich Khuons vom Thalia Theater Hamburg als Intendant des Deutschen Theaters 2010 gelangen Wowereit und seinem Kulturstaatssekretär André Schmitz 2007 ein Meisterstück. Ebenso war es im selben Jahr ein Schachzug der beiden, dem Bund mit 200 Millionen doch die Hauptlast der bei 260 Millionen Euro angekommenen Staatsoper-Renovierung aufzuhalsen. Erfolgreich war schließlich, dass beim Bau des 400 Millionen Euro teuren Humboldt-Forums die Stadt sich nur mit zehn Prozent beteiligen muss.

Und: Nach den langen Jahren des Sparens spendierte der Senat im Haushalt 2007/2008 der Kultur wieder 5 Millionen Euro zusätzlich plus weitere 3,6 Millionen für die kulturelle Bildung. Davon profitierten Theater und Opern, der Tanz, die Museen sowie Institutionen wie das Podewil. Über 350 Millionen Euro macht der Gesamtetat nun aus.

Man muss Wowereit - neben der Imagesteigerung der Stadt - insbesondere den Bedeutungszuwachs der hauptstädtischen Kultur in Berlin anrechnen. Dieser war zwischen Museumsinsel, Schlossplatz und Kulturforum, "Radialsystem" und Gedenkstätte Bernauer Straße im ersten Amtsjahr 2006/2007 nicht Trugbild, sondern real. Die Repräsentation und Stilisierung von Kunst und Kultur als Medium der städtischen und kulturellen Neuausrichtung Berlins kam an.

Leicht verdauliche Kost

Dass sich hinter dem Erreichten immer auch Wowereits Umdeutung von Kunstereignis und Kulturpolitik in repräsentative sowie leicht verdauliche Kost verbarg, ist dabei manchmal geflissentlich übersehen worden. Doch im Gegensatz zu seinem geschichtsversessenen Vorgänger Flierl gehörten neumodische Pathosformeln zum kulturpolitischen Programm Wowereits stets mit dazu: "Wir erreichen die Leute durch Events, und in Berlin gibt es viele Ereignisse, die für Glanz sorgen."

Die grüne Kulturpolitikerin Alice Ströver konstatiert seit Mitte 2007 eine zunehmende Verschiebung in der Wowereitschen Kulturpolitik in diese Richtung. Nach den Anfangstriumphen sei zudem nicht das erfolgt, was man sich als "ein Konzept für die Entwicklung der Berliner Kulturlandschaft gewünscht hätte und was nötig gewesen wäre", sagt Ströver. Wowereit sei "konzeptionellen Diskussionen ausgewichen". Seine Probleme seit dem zweiten Amtsjahr resultierten aus dieser Konzeptionslosigkeit - aber auch aus schlechter Beratung und wenig Zeit, urteilt sie.

Es fehlt eine Handschrift

Als Klaus Wowereit zu Beginn dieser Woche vorschlug, das Kulturressort nach der Abgeordnetenhauswahl 2011 wieder als ein eigenständiges wiederzubeleben, hagelte von Künstlern und natürlich der Opposition Häme. "Späte Einsicht ist besser als gar keine", höhnten Ströver und ihr CDU-Kollege Michael Braun. "Klaus Wowereit ist mit dem Amt des Kultursenators überfordert. Endlich hat er eingestanden, dass die Kultur einen eigenen Senator braucht."

Dass daran etwas dran sein könnte, hat der Regierende Bürgermeister natürlich zurückgewiesen. Doch richtig ist, dass Wowereit lahmt, es mangelt an einer eigenen Handschrift. Bezüglich drängender kulturpolitischer Aufgaben tun sich im Roten Rathaus Fehlstellen auf: Die Opernstiftung - wie einige große Sprechbühnen auch - macht keinen stabilen finanziellen und strukturellen Eindruck. Man munkelt, Opernstiftungs-Generaldirektor Rosinski sehe sich nach einem anderen Job um. Bei der Reparaturaufgabe Staatsoper Unter den Linden wurde im Sommer ein 175.000 Euro teurer Architektenwettbewerb in den Sand gesetzt. Die Umbautermine wackeln.

Schlecht ist zudem, dass der Kultursenator als Gesprächspartner für die junge Szene kaum noch eine Rolle spielt. Eine schwache Position besetzt er auch bei aktuellen Personalfragen. Nach dem Rauswurf des Staatsopernintendanten Peter Mussbach Mitte 2008 ist die Stelle vakant. Ein Nachfolger ist nicht in Sicht - was auch den geplanten Umzug der Lindenoper ins Ausweichquartier Schillertheater ab 2010 gefährden könnte.

Schließlich stottert Wowereits Ansatz - wie bei der Flick Collection und beim White Cube -, mit privaten Mitteln Kunst in die Stadt zu locken. Die Vorstellungen für eine private Kunsthalle am Humboldthafen erweisen sich als wenig belastbar. Der Standort für die geplante städtische Kunsthalle und die junge Szene in Nachbarschaft dazu ist sogar Unsinn.

Nikolas Berggruen, Sammler und Interessent für ein privates Kunstmuseum am Humboldthafen, hielt Berlin jüngst Kleingeistigkeit vor. Statt Konzepte bereitzuhalten und Entscheidungen für ein derartiges Projekt vorzubereiten, "geht es nach dem Motto: Bloß nicht zu hoch, nicht zu modern, nicht zu nah am Spreeufer", sagte der Sohn des 2007 gestorbenen Kunstsammlers Heinz Berggruen.

Berggruens Kritik verweist auf das augenblickliche Problem des Kultursenators. Dessen Gabe, mit einem Faible und Pragmatismus in die Kultur hineinzuregieren, scheint zu erstarren. Ob das aus Überforderung geschieht, ist zweitrangig. Wesentlicher ist, dass er so die kulturpolitische Zukunft der Stadt aufs Spiel setzt. Statt eines klaren Konzepts für Opern, Theater und Freie Szene, für mehr Kulturfinanzen und die Aufgabenverteilung zwischen Berlin und dem Bund, sucht der Kultursenator das Manko durch den "Eventkultur-Wowi" zu kompensieren.

Natürlich kann er das super. Locker, wie zuletzt bei der Eröffnung der "Temporären Kunsthalle Berlin" am Schlossplatz, managt der Regierende Kultursenator seine Reden und Auftritte in Museen, Konzerten oder auf Theaterfestivals. Richtig wohl fühlt sich Wowereit auf Spektakeln wie der Berlinale, den poppigen Einweihungsparties von MTV oder Universal, und natürlich da, wo es Champagner aus roten Damenschuhen gibt.

"Wowi ist eine Marke", titelte gerade das Nachrichtenmagazin Der Spiegel. Das ist wie die Vorstufe zu "Man of the Year" im Time Magazin und das muss man erst einmal schaffen.

Aber bitte, nachdem in den kommenden drei Jahren die Berliner Kultur nicht bloß vom "Phänomen Wowi" beglückt wurde.

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