Vor Gericht: Der Tod gehörte nicht zum Liebesspiel

Der Angeklagte im sogenannten Lustmord-Prozess wird wegen Mordes zu zehn Jahren Haft verurteilt.

Es war kein Mord zur Befriedigung des Geschlechtstriebes, keine Tötung auf Verlangen, keine missglückte Stimulation beim Liebesspiel. Es war ein hinterhältiger Mord, so urteilte das Landgericht Berlin am Montag in dem bizarren Prozess um die Tötung eines bisexuellen Mannes beim Liebesspiel. Zehn Jahre wird der 47-jährige Angeklagte Matthias Sch. deswegen im Gefängnis verbringen. Ein psychiatrischer Gutachter hatte ihn aufgrund des zur Tatzeit genossenen Alkohols für vermindert schuldfähig erklärt - sonst hätte er wohl lebenslänglich bekommen.

Zu Beginn ihrer Urteilsbegründung schilderte die Vorsitzende Richterin Gabriele Strobel den Lebensweg des Angeklagten: Schon früh prägten Alkohol und Gewalt sein Umfeld. Halt fand der gelernte Industriekaufmann, der viele Jahre als Stricher und zuletzt im Wachschutz arbeitete, nur während seiner beiden Ehen. Als die zweite scheiterte, griff er verstärkt zum Alkohol.

Zwei Jahre währte die Bekanntschaft zwischen Matthias Sch., dem gebürtigen Cuxhavener mit den hölzernen Gesichtszügen, und dem 41-jährigen, geistig leicht behinderten Mike G. Trotzdem kannten die beiden bisexuellen Männer, die sich in größeren Abständen zu sadomasochistischen Praktiken verabredeten, voneinander nicht mehr als den Vornamen, die Handynummer und die sexuellen Fantasien. Dazu gehörten für den devoten G. auch SMS etwa mit dem Wortlaut: "Wie wirst du mich heute töten?", die er dem dominanten Sch. des Öfteren geschickt haben soll.

Am Abend des 20. April trank der Angeklagte zwei Flaschen Rotwein, bevor er sich mit Mike G. traf: Schon an der Wohnungstür des Lichtenberger Hochhauses musste Mike G. seinen Partner oral stimulieren. Dann verband ihm der Angeklagte die Augen mit einer Damenstrumpfhose, fesselte ihn mit einem Fernsehkabel und legte ihn rücklings auf seine Couch im Wohnzimmer. Der nackte Sch. setzte sich auf das Gesicht des Wehr- und Arglosen. Plötzlich nahm er mit beiden Händen ein 20 Zentimeter langes Steakmesser und rammte es seinem Opfer mit voller Wucht in den Bauch. G. verblutete innerhalb von 30 Minuten. Nach Meinung des Gerichts wollte Sch. töten, das Motiv blieb aber nahezu im Dunkeln. Lediglich der psychiatrische Gutachter beschrieb eine unheilvolle Melange aus Alkohol und Selbsthass des Angeklagten, der in Fremdhass umgeschlagen sei und sich in dieser Tat entladen habe. Die Richter sagten, das Opfer habe diese zwar als Fantasie eingefordert, jedoch niemals real gewollt.

Tatsächlich hatte Mike G., Vater einer Tochter, Zukunftspläne: Er holte an der Volkshochschule Mathematik und Lesen nach und war sehr stolz auf seine Arbeit als Zeitungsausträger, die er sich selbst besorgt hatte.

Am Schluss gab die Vorsitzende Richterin dem Angeklagten auf, er solle die Zeit jetzt nutzen herauszufinden, was für zerstörerische Kräfte in ihm gewirkt hätten.

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