White Cube in der Krise: Die blasse blaue Kiste

Nach dem Rücktritt des künstlerischen Beirats ist die Temporäre Kunsthalle in der Krise. Neues Konzept nicht in Sicht.

August 2008: Die Halle bekommt ihren weißen Anstrich Bild: ap

Mit großen Erwartungen war die "Temporäre Kunsthalle" 2008 gestartet; jetzt steckt die blaue Kiste auf dem Schlossplatz konzeptionell und personell in einer tiefen Krise. Letztes Indiz dafür: Eine für Dienstag geplante Pressekonferenz wurde kurzfristig abgesagt. Sie sollte über das Programm und die mögliche Neubesetzung des künstlerischen Beirats informieren.

Auch die Vorstellung des neuen Geschäftsführers Benjamin Anders, der den zum Teil glücklos agierenden Vorgänger Thomas Eller jetzt ablöst, fiel damit ins Wasser. Man nutze "diese Situation, um die Strukturen für die inhaltliche Konzeptionierung des Programms neu zu entwickeln", sagte Bärbel Hartje, die Sprecherin der Kunsthalle, zur taz und versuchte so, den Ball flach zu halten. Immerhin finde die Eröffnung der neuen Ausstellung "Allora & Calzadilla" am 11. Juli wie geplant statt.

Andere meinen, derzeit "entwickle" sich im sogenannten White Cube nur mehr Chaos. Am Wochenende war der bisherige Beirat offenbar wegen Unstimmigkeiten über die inhaltliche Ausrichtung der Temporären Kunsthalle zurückgetreten. Katja Blomberg (Haus am Waldsee), Julian Heynen (K21 Düsseldorf), Dirk Luckow (Kunsthalle Kiel) und Gerald Matt (Kunsthalle Wien) warfen das Handtuch. Bereits Anfang April 2009 war Constanze Kleiner - mit Coco Kühn eine der beiden Initiatorinnen des Projekts - als Geschäftsführerin abgesägt worden. Kühn war zu dem Zeitpunkt nur noch als Beraterin in der mit 950.000 Euro privat finanzierten Kunsthalle tätig. Nach ihr hat es, wie erwähnt, nun auch Eller erwischt.

Mäzen Dieter Rosenkranz, der mit dem Hauptgesellschafter "Stiftung Zukunft Berlin" das Kunstprovisorium am Schlossplatz hochzog, ist nicht amüsiert über die Querelen. Offensichtlich, monierte er kürzlich in einem Interview, fehle ein künstlerisches Konzept.

In der Tat mangelt es der blauen Kiste am Schlossplatz, die bis zum Bau des Humboldt-Forums ab 2011 dort stehen soll, an vielem: Nur 70.000 Besucher wollten sich seit der Eröffnung dort Kunst angucken; mit der doppelten Zahl hatten die Veranstalter gerechnet. Trotz Schauen mit der bekannten südafrikanischen Videokünstlerin Candice Breitz und des britischen Konzeptkünstlers Simon Starling scheint die Halle kein Ort für das breite Publikum zu sein.

Noch 2008 wurde ein Konzept versprochen, laut dem an dem zentralen Ort eine Plattform für die hochkarätige und internationale, aber auch junge Berliner Kunstszene geschaffen werde. Doch bis dato ist kein Forum für die zeitgenössische Kunst entstanden. Ein Ort, wo über die Produzenten und künstlerische Avantgarde debattiert wird, hat sich am Schlossplatz nicht herausgebildet.

Auch nach Ansicht Blombergs blieb die Kunsthalle hinter ihren Möglichkeiten: "Unserer Meinung nach war die Qualität der Künstler sehr hoch", so das einstige Mitglied des Beirats. "Man hätte mehr daraus machen können." Die Verantwortung dafür trage die schwache künstlerische Leitung.

Alice Ströver, grüne Kulturexpertin, bemängelt ebenfalls eine fehlende Konzeption. Es habe sich darüber hinaus als wenig glücklich herausgestellt, dass die Kunsthalle bisher nur Künstler in Einzelschauen präsentiert habe. Um die Halle wieder ins Bewusstsein zu heben, "muss jetzt nach ganz anderen Lösungen und Konzepten gesucht werden", so Ströver zur taz. Sie schlug vor, mit Gruppenausstellungen zeitgenössischer Künstler oder Sammlungen den Standort "wieder lebendig" zu machen. Zugleich sei es wichtig, dass die Kunsthalle mit vielen und unterschiedlichen Programmen Interesse wecke.

Laut Ströver könne Berlin für seine geplante städtische Kunsthalle aus den Fehlern der temporären Halle lernen. Wichtig sei es, intensiv über Standorte und Konzepte nachzudenken.

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