Arbeitskampf an Schulen: Die GEW bestreikt Kinder

Gewerkschaft ruft zu einwöchiger Arbeitsniederlegung an Schulen und Kitas. Eltern unterstützen die Forderung nach mehr Lohn, klagen aber über Unterrichtsausfall. Horte organisieren Notfallpläne

Lehrer zeigen Ausdauer: Schon im März demonstrierte die GEW für höhere Löhne Bild: REUTERS

Bildung hat Priorität. Ganz gleich ob Eltern, Lehrer oder Politiker, diese Standardfloskel tragen die Beteiligten aller Seiten gern vor sich her. In der Realität aber sieht es anders aus. Wenn es hart auf hart kommt, ist sich jeder selbst der Nächste. Im Tarifkampf für den öffentlichen Dienst denkt nun die GEW vor allem an das Wohl der Lehrer - und ruft zum Streik, auch wenn dadurch Unterricht ausfällt. Das Modellprojekt Gemeinschaftsschule hingegen leidet weiter unter der Angst, gute Schüler könnten leiden, wenn sie mit schlechteren in einer Klasse lernen müssten.

LehrerInnen, ErzieherInnen und SozialpädagogInnen haben ein Problem. Der Senat verweigert ihnen seit Monaten die gewünschte Lohnerhöhung. Ab Montag werden auch Eltern und Schüler Probleme bekommen. Denn dann ruft die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaften (GEW) zu einem ganzwöchigen Streik an Schulen und Kindertagesstätten.

Der Tarifkampf brodelt nun seit beinahe einem Jahr. Die GEW und die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di fordern drei Sonderzahlung von je 300 Euro sowie eine Lohnerhöhung von 2,9 Prozent für die Beschäftigten im Landesdienst. Bereits im April dieses Jahres kam es zu Streiks von bis zu drei Tagen. Doch im Sommer brach der Senat verärgert die Verhandlungen ab und beschloss zwei Sonderzahlungen von je 300 Euro. Mit dem erneuten Streik will die Gewerkschaft nun den Senat zu neuen Gesprächen bewegen.

Durch den Ausstand in der kommenden Woche werden "alle Schulen Probleme bekommen", ist sich Dieter Haase aus dem Landesvorstand der GEW sicher. In Berlin werden Lehrkräfte seit 2004 nicht mehr verbeamtet. Von den knapp 30.000 Lehrkräften des Landes Berlin sind etwa 24.000 verbeamtet. 5.600 sind nur angestellt - und dürfen damit, anders als die Beamten, streiken.

"In Vollzeit arbeitende angestellte LehrerInnen verdienen monatlich nur zirka 1.400 Euro", sagt Haase. Verbeamtete mit denselben Arbeitszeiten stünden da um zirka 500 Euro besser da. "In allen anderen Bundesländern Deutschlands ist das Lohnniveau bereits auf dem Stand der aktuellen Forderung. "Die niedrigen Löhne führen dazu, dass junge Arbeitskräfte aus Berlin abwandern - und der Fachkräftemangel immer größer wird", sagt Haase. Von betroffenen Eltern hat Haase trotz der anstehenden Schwierigkeiten Sympathiebekundungen bekommen. "Die Eltern wissen auch, dass zufriedene Lehrer die Qualität des Unterrichts steigern", sagt er.

Die Aziz-Nesin-Grundschule, eine türkisch-deutsche Ganztagschule in Kreuzberg, ist besonders vom Streik betroffen. Hier sind nur 20 Prozent der Lehrkräfte verbeamtet. Dennoch fordert die Gesamtelternvertretung in einem Elternbrief vor allem Solidarität mit den Streikenden. Wer kann, solle die bestreikte Woche lang selbst auf seine Kinder aufpassen, heißt es in dem Schreiben. Wer das nicht könne, für den bleibe ein Notfallplan. 15 Lehrer stehen dafür zur Verfügung. Ähnliche Briefe erhalten Eltern aus betroffenen Schulen in ganz Berlin. Auch viele Horte organisieren für den Zeitraum des Streiks Notfallpläne. In besonders schwierigen Betreuungssituationen, wie zum Beispiel an Schulen für Schwerbehinderte, werden die Angestellten per Notdienstvereinbarungen zur Arbeit verpflichtet.

Bernhild Mennenga aus der Elternvertretung der Aziz-Nesin-Grundschule erklärt sich mit den Forderungen der Lehrer solidarisch. "Ich habe aber ein Problem damit, wie die GEW mit ihren Forderungen umgeht. Ein unbefristeter Streik - das wäre für unsere Schule eine Katastrophe", sagt Mennenga. Man könne auch in Schichten streiken, so würde weniger Unterricht ausfallen. Der Verhandlungsdruck bliebe aber erhalten. "Gerade übt sich der Druck doch hauptsächlich auf die Kinder aus", sagt die Elternvertreterin.

Das sieht auch der Landeselternausschuss so. Er fordert die Bildungsverwaltung zu einer rechtlichen Überprüfung der Unterrichtsausfälle auf. "Es geht hier um einen Konflikt zwischen zwei Tarifparteien - die Leidtragenden dürfen nicht die Schüler sein", sagt der Vorsitzende André Schindler. Zwar rechnet er nicht mit massiven Unterrichtsausfällen. Dennoch plädiert er gegen die Aufnahme des Streiks und hofft darauf, dass genügend verbeamtete LehrerInnen für ihre streikenden KollegInnen einspringen.

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