CDU in Berlin: Die Konservativen mögen's jetzt lieber ruhig

Von der CDU ist wenig zu hören. Das scheint Programm - lieber keine als schlechte Presse. Fünf Monate nach ihrem Chaos-Herbst wählt die Partei einen neuen Vorstand. Kritiker Wesser sieht sich bestätigt: "Ich sehe keine Erneuerung".

Parteipolitik heißt normalerweise: In den Nachrichten sein, um für sich zu werben. Für die Berliner CDU galt in den vergangenen Monaten: Bloß nicht länger in die Nachrichten kommen - no news is good news. Zu sehr hatte das parteiinterne Personalchaos im Herbst das geringe verbliebene Ansehen der Union beschädigt. So gilt es in der CDU als Erfolg, dass von ihr wenig zu hören war, seit Fraktionschef Frank Henkel im November den vakanten Parteivorsitz übernahm. Samstag stellt er sich zum ersten Mal einem regulären Parteitag zur Wahl.

Fast täglich war im Herbst von immer neuem Streit in jener Partei zu lesen, die bis 2001 fast zwei Jahrzehnte lang die führende Kraft Berlins war. Halb bugsierte sich der damalige CDU-Fraktionschef Friedbert Pflüger selbst ins Aus, halb mobbte ihn Parteichef Ingo Schmitt. Dann geriet Schmitt selbst unter Beschuss und trat am 1. Oktober zurück. Die Nachfolgediskussion schien die Union zu zerreißen. Sie sorgte aber auch erstmals seit langem wieder für offene Diskussionen in einer Partei. Doch schnell, für viele Mitglieder zu schnell, legten sich die Führungsgremien auf ein neues Spitzenduo fest: den vormaligen Generalsekretär und kantigen Innenpolitiker Henkel und als liberale Ergänzung die Bundestagsabgeordnete Monika Grütters als erste Stellvertreterin.

Viele protestierten gegen diese Vorfestlegung, die zur Wahl Henkels bei einem kleinen Parteitag Mitte November führte. Den radikalsten Schritt ging Marc Wesser, der aus Protest als CDU-Fraktionschef in Steglitz-Zehlendorf zurücktrat. Er hatte 2006 das erste schwarz-grüne Bündnis auf Bezirksebene ausgehandelte und galt manchen als Hoffnungsträger. "Ich sehe keine Erneuerung in der CDU", sagte er damals wie heute. Henkels Wahl bedeute "das vorläufige Ende des Konzepts der liberalen Großstadtpartei".

Mit rund fünf Monaten Abstand sieht sich Wesser bestätigt. "Alles, was ich gesagt habe, hat sich bewahrheitet", sagte er der taz, "die CDU dümpelt bei 21 Prozent." Wenn er sich umschaue, sehe er klassisches bürgerliches Klientel, das FDP oder Grün oder gar nicht wähle - aber eben nicht die CDU. Die Union schaffe es nicht mal im Ansatz, Unzufriedenheit über den Senat für sich zu nutzen. Zu Henkel bleibt er bei seiner früheren Einschätzung: "Er ist ein guter Spartenpolitiker für die innere Sicherheit, aber er kann die Breite nicht."

Anders urteilt ein weiterer damaliger Kritiker Henkels, der zeitweilige Gegenkandidat Dieter Walther. Er, das zuvor völlig unbekannte CDU-Mitglied aus Zehlendorf, hatte Henkel herausgefordert, tourte mit ihm durch Basiskonferenzen und zog erst am Wahlabend zurück. "Die CDU hat sich gewandelt", meint Walther heute. Die Partei sei offener geworden, es werde mehr diskutiert. Henkel ist für ihn "die richtige Figur am richtigen Platz".

Zu Henkels und Grütters Neuerungen gehört eine kleinere Führungsspitze, die schnellere Entscheidungen ermöglichen soll. Dazu sollen neben den beiden die führenden Kreischefs Frank Steffel und Michael Braun gehören. Vierter Vize soll überraschend Thomas Heilmann werden, Werbeprofi der Agentur Scholz&Friends.

Henkels Wiederwahl mit großer Mehrheit gilt als sicher. Denn eine erneute große Personaldebatte mögen sich auch Kritiker nicht zumuten. Zumal unter den Augen der Oberchefin: Bundesvorsitzende Angela Merkel, zuletzt selbst unter Beschuss, ist Gastrednerin beim Parteitag.

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