Kiezstreife: Die mit dem schlechten Image

Kiezstreifen kontrollieren Hundebesitzer, Falschparker und Rotlicht-Ignoranten. Der Job ist so unbeliebt, dass sich kaum Personal findet. Und jetzt soll es auch noch am Wochenende arbeiten

Bei Hundebesitzern sind Kiezstreifen nicht unbedingt beliebt Bild: AP

Das Ordnungsamt bittet zur Kasse: Eine weggeworfene Kippe kostet 20 bis 35 Euro. Wer die Scheiße seines Hundes nicht in einem Müllbehälter entsorgt, muss 35 Euro berappen. Wer Alkohol an Kinder verkauft, riskiert, 1.500 Euro und mehr loszuwerden. Verstöße gegen das Parkverbot werden mit Summen von 5 bis 35 Euro geahndet, Verstöße gegen die Umweltzone mit 40 Euro. Wer sich als Gast in der Kneipe beim Rauchen erwischen lässt, muss 100 Euro abdrücken, Wirte bis zu 1.000. Radfahren auf Gehwegen kostet zwischen 10 und 25 Euro.

Kaum eine Berufsgruppe hat ein so negatives Image wie die Außendienstmitarbeiter der Ordnungsämter, Kiezstreifen genannt. Wer lässt sich schon gern 35 Euro dafür abnehmen, dass der Hund auf die Straße gekackt hat? Oder 10 Euro dafür, dass er mit dem Rad über den Bürgersteig geflitzt ist? In so einer Situation gibt schnell ein Wort das andere, unschöne Begriffe fallen, auch zu Tätlichkeiten kommt es mitunter. Ob die Kiezstreifen Berlin dennoch weiterhelfen, wollte der Innenausschuss des Abgeordnetenhauses am Montag wissen und lud Experten zur Anhörung: "Vier Jahre Berliner Ordnungsämter - Erfolgsstory oder Placebo?"

Rund 400 Kiezstreifen sind zurzeit bei den zwölf Bezirken beschäftigt, hinzu kommt das Personal für die Überwachung von Parkbewirtschaftsungszonen. Auch wenn sie als Abzocker verschrien sind, die durch Knöllchen möglichst viel Geld in die Staatskasse schaufeln sollen - der Grundgedanke bei der Einrichtung des Amtes war auch Prävention: Die Menschen sollten durch sporadische Kontrollen im öffentlichen Raum zum Nachdenken über ihr Verhalten angeregt werden.

"Es ist nicht alles schlecht," versuchten bei der Anhörung die Leiterin des Ordnungsamts Spandau, Elke Gassert, und die Stadträte von Charlottenburg-Wilmersdorf sowie Pankow, Marc Schulte (SPD) und Jens-Holger Kirchner (Grüne), glauben zu machen.

Der Aufgabenkatalog ist im Laufe der Jahre länger geworden. Die Umweltzone muss ebenso kontrolliert werden wie das Rauchverbot in Kneipen und das Verbot von Alkoholverkauf an Kinder und Jugendliche. Die negative Reaktion der Bevölkerung hat zur Folge, dass der Job nicht gerade begehrt ist. Die Bezirke hätten Not, das erforderliche Personal für den Außendienst zusammenzubekommen beziehungsweise Nachschub für ausscheidende Mitarbeiter zu bekommen, hieß es am Montag.

Das Personal für den Ordnungsdienst muss aus dem Stellenpool des Landes rekrutiert werden. Der Altersdurchschnitt der Außendienstmitarbeiter in Spandau liege zwischen 45 und 55 Jahren, berichtete Amtsleiterin Gassert. Da die Leute zudem "Tag für Tag im Dienst auf den Füßen" seien, käme es zum Teil zu langen Krankenzeiten. Eine Vertretung sei kaum zu bekommen. Der Pankower Ordnungsstadtrat Kirchner berichtete vom Fall einer Angestellten, die nach drei Tagen Kiezstreife dauerhaft krank war. Erst nach zweieinhalb Jahren habe er die Stelle der Frau neu besetzen können.

Der Ordnungsstadtrat von Charlottenburg-Wilmersdorf, Schulte, beklagte, dass die Arbeit der Kiezstreifen um 22 Uhr endet. Am Wochenende haben sie komplett frei. So ließen sich die neuen Aufgaben im Jugend- und Nichtraucherschutz nicht bewältigen. Eine Ausweitung des Arbeitszeiten aber lehne der Hauptpersonalrat ab. Deswegen werde der Senat jetzt die Einigungsstelle anrufen, kündigte Innenstaatssekretär Thomas Härtel (SPD) an. "Wir hoffen auf eine Lösung im Sinne des Bürgerinteresses."

Das könnte eine Fehleinschätzung sein. Der derzeitige Streik im öffentlichen Dienst kostet den Bezirk Chalottenburg-Wilmersdorf laut Schulte täglich 10.000 Euro, weil die Parkzonen nicht kontrolliert werden. Einen Bürgeraufstand wird es deswegen dennoch kaum geben.

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