Juristischer Trick der Koalition: Die Umweltlügen von Rot-Rot

Vor einem Jahr verabschiedete das Parlament ein Paket für Klima- und Umweltschutz. Nun stellt sich heraus: Die Beschlüsse sind wegen eines juristischen Tricks nicht bindend und werden vom Senat ignoriert.

Das Abgeordnetenhaus hatte unter anderem beschlossen, Solarenergie zu fördern. Doch der Senat hält sich nicht dran. Bild: Schwarzerkater/CreativeCommons BY 2.0 US

Es sollte der große Tag der Umwelt im Landesparlament werden. SPD und Linke brachten sieben Anträge mit dem Titel "Berliner Initiative für Klima- und Umweltschutz" ein. Daniel Buchholz, Umweltpolitiker der SPD, sagte damals: "Wir als Koalition sind stolz darauf, dass wir uns im Land Berlin ein ambitioniertes Klima- und Umweltschutzprogramm geben." Seine Kollegin von der Linken, Marion Platta, gab zu Protokoll: Es sei wichtig, "dass schnelle Ergebnisse aus diesen Maßnahmen erzielt werden können". Die taz berichtete: "Rot-Rot bringt heute im Parlament ein Paket für mehr Klimaschutz auf den Weg."

Am 14. Februar 2008 wurden die letzten dieser Anträge im Abgeordnetenhaus verabschiedet. Ein Jahr später ist klar: Es war ein Tag der großen Show. Denn die Koalition will sich nicht an alle Teile ihres Umweltprogramms halten. Möglich wird das durch einen juristischen Trick: Das Abgeordnetenhaus verabschiedete die Forderungen nicht als Gesetz, sondern als Beschluss.

Äußerlich ist beides kaum voneinander zu unterscheiden: Die Beschlüsse bestehen genau wie auch ein Gesetz aus Texten mit Regeln, sie wurden auch genau wie ein Gesetz in den Ausschüssen des Parlaments besprochen und dann im Plenum verabschiedet. Der Unterschied ist von außen nicht zu erkennen: Ein Gesetz ist verbindlich, ein Beschluss dagegen kann "nicht mehr bedeuten als ein Wunsch", erklärt Christian Pestalozza, emeritierter Staatsrechtsprofessor an der Freien Universität Berlin. Damit der Senat sich an eine Vorgabe auch halten muss, "bedarf es einer Änderung des Gesetzes".

Die Koalition kann also selbst entscheiden, ob sie sich an ihre Ökobeschlüsse halten will. Und diese Freiheit nutzt sie auch in vielen Fällen aus. Beispiel Solarenergie: Um sie zu fördern, soll der Senat "alle geeigneten Dächer auf öffentlichen Gebäuden verstärkt für Solaranlagen zur Verfügung stellen", beschloss das Parlament. Sowohl Investoren als auch engagierte Bürger sollen die Dächer "nach Möglichkeit mietfrei" nutzen dürfen.

Der Senat dagegen will die Dächer der landeseigenen Gebäude nicht an Bürger geben, sondern "vorerst nur an Investoren", antworteten der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) und Umweltsenatorin Katrin Lompscher (Linke) dem Parlament. Und auch das mit dem "mietfrei" wird nichts: Um die bisher ungenutzten Dächer "effektiv zu bewirtschaften", könne das Aufstellen von Solarzellen "jeweils nur entgeltlich erfolgen".

Beispiel europaweite Ausschreibungen: Das Abgeordnetenhaus beschloss, dass beim Einkauf von Waren oder dem Bau von Gebäuden nicht das billigste Angebot den Zuschlag erhält, sondern auch ökologische Kriterien in die Entscheidung einfließen (taz berichtete).

Ein Sprecher von Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD), die für die meisten Ausschreibungen verantwortlich ist, erklärt allerdings: Man werde den Beschluss des Abgeordnetenhauses zu den ökologischen Kriterien nicht umsetzen, "da sie noch keine Gesetzeskraft haben beziehungsweise noch in keine Ausführungsvorschrift überführt sind".

Hier die Antwort der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung auf die taz-Anfrage: "Der Beschluss des Abgeordnetenhauses zur Berücksichtigung ökologischer Kriterien bei Ausschreibungen ist noch nicht operationalisiert. D.h. das Vergabegesetz ist noch nicht gändert, die Senatsverwaltuung für Wirtschaft arbeitet daran. Anschließend muss die Senatsverwaltung für Umwelt eine Ausführungsvorschrift anfertigen. Diese Ausführungsvorschrift ist dann Grundlage für bspw. die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung bei Vergabeverfahren. Momentan können also die vom Abgeordnetenhaus beschlossenen ökologischen Kriterien nicht umgesetzt werde, da sie noch keine Gesetzeskraft haben bzw. noch in keine Ausführungsvorschrift überführt sind. Wenn dies geschehen ist, wird sich die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung selbstverständlich an die Vorgaben halten."

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