Schloss-Debatte: Die verpassten Chancen

Der Siegerentwurf des Wettbewerbs zum Humboldt-Forum ist der kleinste gemeinsame Nenner. Es wären spannendere Lösungen drin gewesen, wie ein Blick auf prämierte Berliner Modelle zeigt.

Den Architekten von Kuehn Malvezzi war die bloße Rekonstruktion nicht genug Bild: BMVBS

Eine originalgetreue Rekonstruktion, kaum eine eigene Handschrift, der kleinste gemeinsame Nenner: Die Gesichter der Fachleute waren lang, als der Siegerentwurf zum Humboldt-Forum vorigen Freitag verkündet wurde. Gewiss, das Modell des Italieners Francesco Stella hat sich minutiös an die Vorgaben gehalten. Im Prinzip soll das Schloss in der Mitte Berlins nun genau so aufgebaut werden, wie es vor drei Jahrhunderten errichtet wurde. Aber es wäre interessanter gegangen, wie der Blick auf zwei ebenfalls prämierte Entwürfe von Berliner Architekten zeigt. Die Modelle werden gemeinsam mit den 83 weiteren eingereichten Beiträgen von Dienstag an im Kronprinzenpalais ausgestellt.

Den Architekten von Kuehn Malvezzi war die bloße Rekonstruktion nicht genug. "Wir wollten ein Modell des Schlosses - aber eben nicht das alte abbilden, sondern mit kritischer Distanz nachempfinden", sagt Wilfried Kuehn. Das Büro wurde mit einem Sonderpreis in Höhe von 60.000 Euro bedacht - weil er nach Ansicht der Jury die Vorgaben hinsichtlich der Kuppel nicht ausreichend erfüllte, aber doch nachhaltig beeindruckte.

Die Architekten machten die Kuppel zum Sinnbild des Wechselspiels von Zeitgenössischem und Geschichte: Sie schufen sie als Glas-Baldachin über einem Versammlungsraum im Eingangsbereich, dem Eosanderhof. "Wir haben gezeigt, dass die Wettbewerbsaufgabe ernst zu nehmen ist und sind kreativ damit umgegangen", sagt Kuehn.

Die Form der Kuppel war ihrer Ansicht nach in der Ausschreibung nicht festgelegt. "Die Funktion hat sich verändert, die Kuppel kann nicht die gleiche wie damals sein." War das Dach früher auf den Kaiser fokussiert, sollte es nun einen Versammlungsort für viele Menschen überkuppeln und so nach innen wirken. Nach außen war das städtebauliche Gewicht entscheidend: Es sollte erkennbar sein, dass es sich nicht um einen originaltreuen Wiederaufbau handelt, sondern um einen eigenständigen Komplex.

Vielgliedrige Fenster verbinden den Eosanderhof im Westen mit dem Umfeld. Diese Feinheit wiederholt sich an der Ostseite, der einzigen frei zu gestaltenden Fassadenwand. Dort können Besucher in Loggien nach draußen blicken. Enttäuscht waren Wilfried Kuehn und sein Bruder Johannes nicht über den Sonderpreis: "Wir wollten einen Beitrag zur Debatte liefern, und das ist uns gelungen", sagen sie.

Auch der mit einem dritten Preis bedachte Entwurf eines weiteren Berliner Büros übt sich in der kritischen Auseinandersetzung mit dem Original: Die Architekten von Kleihues + Kleihues nahmen die Geometrie der Kuppel auf, interpretierten sie jedoch modern.

Jan Kleihues weist ebenso wie seine Kollegen vom Büro Kuehn Malvezzi darauf hin, dass die Kuppel die Chance bietet, das Gebäude zu charakterisieren. Zugleich hielt Kleihues die Kuppel in Stein, um keinen Bruch mit dem restlichen Schloss zu erzeugen. "Harmonie ist uns sehr wichtig." Innen überzeugt der Entwurf durch Offenheit, großzügig angelegte Balustraden über mehrere Ebenen entlang eines Foyers.

"Im ersten Moment waren wir sehr glücklich über den dritten Platz, mittlerweile sind wir mehr enttäuscht als zufrieden", sagt Kleihues. "Mir ist absolut unverständlich, warum sich die Jury für den Entwurf Stellas entschieden hat." Einen dritten Platz erhielt auch das Berliner Büro Kollhoff. Hier ist der Versammlungsraum großzügig und locker in der Form gestaltet, der Schlüterhof öffnet sich nach außen und lädt zum Flanieren ein.

Egal ob historientreu oder mutig - die Mehrheit der Ost-Berliner scheint ohnehin nichts vom Schlossneubau zu halten. Zu viele Steuergelder, sagen einer Umfrage der Zeitschrift Super Illu zufolge 61 Prozent der Befragten und lehnen den Wiederaufbau ab. Wehmütigen können noch bis Dienstagvormittag einen Blick auf die Reste des Palastes der Republik erhaschen: Der Bagger lies einen Teil vom letzten Treppenhaus übrig, als am Montagabend die Arbeit wegen Dunkelheit eingestellt wurde.

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