Jugendgewalt: Ein abschließbares Heim für Jugendliche

Senat unterstützt teilweise geschlossene Unterbringung von kriminell gewordenen Jugendlichen. Das evangelische Fürsorgewerk Lazarus plant den Bau einer entsprechenden Einrichtung.

Die Unterbringung krimineller Jugendlicher in geschlossenen Heimen wird vom Senat nicht mehr kategorisch abgelehnt. Jugendsenator Jürgen Zöllner (SPD) begrüßte am Mittwoch die Initiative eines evangelischen Fürsorgewerks Lazarus. Das will in der Uckermark eine teilweise geschlossene Einrichtung für kriminell gewordene Jugendliche bauen. Damit bricht der Senat mit der 20 Jahre alten berlin-brandenburgischen Tradition, geschlossene Unterbringung für Minderjährige abzulehnen. Eine endgültige Entscheidung über den Bau soll in den nächsten Wochen fallen.

Die Lazarus-Gesellschaft betriebt seit Jahren Heime unterschiedlichen Charakters. Bundesweit sind derzeit 160 delinquente Jugendliche auf gerichtliche Anweisung hin in Lazarus-Heimen untergebracht, rund 60 von ihnen in der Uckermark bei Frostenwalde. 80 Prozent davon sind großstädtische Migrantenkinder der Berliner Unterschicht, sagt Michael Piekara, Referent der Berliner Kinder- und Jugendhilfe.

Nun plant Lazarus dort ein weiteres Haus mit acht Wohneinheiten, die sich bei Bedarf voneinander trennen und schließen lassen. So sollen straffällig gewordenen Jugendlichen am Weglaufen gehindert und vor sich selbst geschützt werden. "Es gibt Kinder, die es darauf anlegen, überall rausgeschmissen zu werden. Diesen Kreislauf wollen wir unterbrechen", erklärt Piekara. Vor allem aber sollen extreme Fälle kontinuierlicher betreut werden. Bisher können durchtickende Kinder nur in die Psychiatrie eingewiesen werden. Das reißt sie aus ihrem Umfeld. Viele Kinder, so Piekara, erlebten im Heim zum ersten Mal konstante Strukturen. Gerade diese soziale Einbindung schreibt sich Lazarus unter dem Slogan "Menschen statt Mauern" als Erfolgskonzept auf die Fahne. 60 Prozent der Betreuten werden nicht wieder straffällig. Die Kinder können zwischen einer Woche und einem Jahr geschlossen untergebracht werden. Dafür muss die Einwilligung der Eltern oder ein richterlicher Beschluss vorliegen, der alle paar Wochen neu überprüft wird. Piekara versicherte, dass acht Plätze völlig ausreichten, und nannte das Einsperren auf Zeit das "letzte Mittel der Erziehung".

Der Neubau ist keine Folge der vom hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU) angeheizten Debatte um härtere Strafen für kriminelle Jugendliche. Zöllner hatte nach eigenen Angaben seine Verwaltung bereits im Sommer beauftragt, ein Konzept zu entwickeln. Zeitgleich entstand bei Lazarus die Idee für schließbare Heime. "Das ging von uns aus", sagte EJF-Vorsitzende Siegfried Dreusicke, "lange bevor Herr Koch kam." Die Berliner CDU beglückwünschte Lazarus dennoch zum Bau des Heimes und hob den "Schutz der Allgemeinheit hervor. Berlin müsse "von dieser Möglichkeit umfassend Gebrauch machen".

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