Kommenter Extreme Gewalt: Ein Defizit bei linker Selbstkritik

Nichts kann die Schläge der Neonazis gegen einen jungen Linken rechtfertigen. Lauter Protest dagegen ist nötig. Doch radikale Antifas müssen ihren Umgang mit körperliche Gewalt überdenken.

Nichts, aber auch gar nichts kann den brutalen Angriff von vier Rechtsextremen auf einen jungen Linken am vergangenen Sonntag rechtfertigen. Wie auch immer die Vorgeschichte war - wenn ein junger Mann fast totgeschlagen wird, ist das ein entsetzliches Verbrechen. Wenn dahinter auch noch mehr oder weniger dumpfes rechtsradikales Gedankengut steht, muss ein Zeichen dagegen gesetzt werden. Deshalb verdient der Protest am Samstag alle Unterstützung. Die Demo muss - dem Anlass entsprechend - laut sein, stark und wütend. Unübersehbar.

Unübersehaber aber ist leider auch ein Aufarbeitungsdefizit auf Seiten der Linken - vor allem beim Umgang mit körperlicher Gewalt. Jeder ist aufgefordert, Nazis gegenüber Gesicht zu zeigen. Auch Selbstverteidigung gegenüber brutalen Nazis ist okay. In allen anderen Fälle aber muss es beim Versuch bleiben, mit dem Intellekt die rechte Ideologie zu übertrumpfen. Das ist leider eine Sisyphosaufgabe. "Thor Steinar"-Klamottenträger wird man so nicht aus dem Kiez vertreiben. Doch Gewalt erzeugt nur Gegengewalt. Wer sie anwendet, lässt sich herab auf das Niveau des Gegners.

Wer sie dennoch anwendet, darf sich hinterher nicht darüber beschweren, in den Fokus der Polizei zu geraten. Auch nicht mit dem Argument, dass in den eigenen Reihen jemand viel heftiger verletzt wurde. Zum Glück leben wir in einem Staat, in dem die körperliche Unversehrtheit aller - egal welche politischen Richtung - ein hohes Gut ist.

Wer sie dennoch anwendet, sollte sich zumindest fragen, ob er nüchtern die Situation einschätzen kann. Wie kann es eigentlich passieren, dass aus einer Zehnergruppe einer zurückbleibt, so dass er von Nazis halb tot geschlagen werden kann? Eine gut organisierte Antifa-Aktion, auf die in linksradikalen Kreisen sonst so viel Wert gelegt wird, sieht jedenfalls anders aus.

Und jetzt bitte auf zur Demo, 18 Uhr, Bersarinplatz.

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Leiter des Regie-Ressorts, das die zentrale Planung der taz-Themen für Online und Print koordiniert. Seit 1995 bei der taz als Autor, CvD und ab 2005 Leiter der Berlin-Redaktion. 2012 bis 2019 Leiter der taz.eins-Redaktion, die die ersten fünf Seiten der gedruckten taz produziert. Hat in Bochum, Berlin und Barcelona Wirtschaft, Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation und ein wenig Kunst studiert. Mehr unter gereonasmuth.de. Twitter: @gereonas Mastodon: @gereonas@social.anoxinon.de Foto: Anke Phoebe Peters

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