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RamadanFasten gegen den Alltagstrott

Viele Muslime essen und trinken ab diesem Freitag 30 Tage lang nur noch zwischen Sonnenunter- und Sonnenaufgang. Ganz schön hart bei kurzen Nächten und Temperaturen bis 30 Grad.

Obwohl sie längst die zweitgrößte Glaubensgemeinschaft nach den Christen in Berlin sind, gehen ihre Feste und Feiertage immer noch meist unbemerkt an der Mehrheit der Hauptstädter vorbei. Heute beginnt für die etwa 220.000 muslimischen BerlinerInnen der dreißigtätige Fastenmonat Ramadan. Für den frommen Muslim bedeutet das: Zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang nichts zu essen und zu trinken, auch andere Vergnügungen wie Rauchen oder Sex fallen so lange flach.

Dem islamischen Kalender entsprechend wandert der Ramadan durch das Jahr: Immer um jeweils elf Tage nach vorne. Während das Abschlussfest des Ramadan, eins der zwei wichtigsten islamischen Feste, vor acht Jahren noch fast zeitgleich mit Weihnachten gefeiert wurde, fällt der Fastenmonat nun in die heißeste Zeit des Jahres. Vor allem der Verzicht auf's Trinken ist bei den derzeitigen Temperaturen nicht leicht.

"Kein Problem", meint allerdings die neunzehnjährige Lamya: Das Fasten sei nur an den ersten zwei Tagen schwer: "Dann gewöhnt sich der Magen daran. Man spürt das richtig, wie der sich zusammenzieht und kleiner wird!" Klar, nichts zu trinken, dass sei nicht einfach, gerade in der heißen Jahreszeit. "Aber das Fasten soll ja auch nicht einfach sein, sondern eine Herausforderung, eine Leistung, die man für Gott erbringt!" Mit einer Gruppe von Freundinnen und Freunden palästinensischer und türkischer Herkunft ist die angehende Studentin Lamya zum Einkaufsbummel unterwegs. Alle in der Gruppe sind Muslime. Kopftuch trägt keins der Mädchen, statt dessen bevorzugen sie kurze Hosen und T-Shirts mit Spaghettiträgern. Doch fasten, das tun sie alle, sagen die drei Mädchen und Jungen der Gruppe. "Selbst wer sonst nicht so gläubig ist, nutzt doch den Monat, um sich auf seine Religion zu besinnen", sagt einer. Und wird wirklich nicht mal zwischendurch ein Gläschen Wasser gekippt, wenn gerade keiner hinguckt? "Nein", beteuern die Jugendlichen mit ernsten Gesichtern und großen Augen. "Wenn man glaubt, dass Gott jeden einzelnen sieht, dann geht das nicht", ergänzt einer.

Derya Ovali vom türkischen Studierendenverein BTBTM sieht die Jugendlichen in einer Übergangsphase: "Die jüngeren, die noch an der Schule sind, fasten öfter als Ältere, die schon arbeiten oder studieren", so ihre Erfahrung. Denn: An der Schule gebe es mehr Gruppendruck und es sei ja auch spannend und interessant, das Fasten mal auszuprobieren. Dass das Einhalten der Fastenzeit unter Erwachsenen an Bedeutung zunimmt, beobachtet sie nicht: "Viele, die ich kenne, fasten nur am als besonders wichtig geltenden ersten und letzten Ramadan-Tag."

Das käme für Silvia Horsch nicht infrage: "Für mich ist der Monat eine Gelegenheit, den Alltagstrott zu unterbrechen und zwar nicht nur für kurze Zeit, sondern gleich für mehrere Wochen." Indem man die Bedürfnisse des Körpers zurückstelle und sich weniger mit Essen und dem Drumherum befasse, habe man plötzlich mehr Zeit. "Ich versuche in der Fastenzeit immer, einmal den Koran durchzulesen", sagt die Muslima, die die Webseite nafisa.de zum Thema Frauen und Islam betreibt. Um Zeit für die Beschäftigung mit ihrer Religion zu haben, nimmt die berufstätige Mutter sich sogar ein paar Tage Urlaub. Der Fastenmonat ist ihr wichtig: "Es ist eine Zeit, in der man seine Beziehung zu Gott intensiviert. Das ist wie bei jeder Beziehung: Wenn man mehr Zeit füreinander hat, wird es intensiver." Dass der Ramadan in diesem Jahr in die Zeit der kurzen Nächte falle, mindere zwar seinen geselligen Aspekt: Man verabrede sich seltener zum gemeinsamen Abendessen, wenn das erst abends um halb zehn stattfinde, sagt Horsch. Das habe auch auch positive Seiten: So bleibe für innere Einkehr und Gebet noch mehr Zeit.

Im Stadtbild werden der Ramadan und das ihn abschließende Zuckerfest anders als christliche Feste kaum sichtbar sein: Keine spezifischen Dekorationen oder Illuminationen weisen auf die Fastenwochen hin. An Minaretten, die in islamischen Ländern während der Fastenzeit häufig mit bunten Lichtern oder beleuchteten Schriftzügen geschmückt werden, mangelt es noch.

Und ob die von der muslimischen Modefirma "styleislam" per Internet angeboteten Fastenzeit-T-Shirts unter Berliner MuslimInnen Fans finden, bleibt abzuwarten. Sie zeigen unter dem Schriftzug "Ramadan" ein stilisiertes Männlein, das sein Ego in einen Mülleimer wirft.

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