Appell von Unternehmen und Gewerkschaften: Firmen sollen familiär werden

Unternehmer und Gewerkschaften fordern mehr Familienfreundlichkeit im Beruf. Unklar bleibt, wie: Die IHK will flexiblere Arbeitszeiten, der DGB das Gegenteil.

Wenn Mutti zur Arbeit geht, soll für den Nachwuchs gesorgt sein Bild: AP

So wie in der "Kita Weiberwirtschaft", so stelle sie sich das vor. Zufrieden verweist Petra König, Bereichsleiterin Wirtschaftspolitik der Industrie- und Handelskammer (IHK), auf die Einrichtung in Mitte. 60 Knirpse werden dort betreut, allesamt Kinder von Existenzgründerinnen. 63 Kleinstunternehmen betreiben die Kita, die von 6 bis 18 Uhr geöffnet ist - arbeitnehmerfreundlich, familienfreundlich. "Es gibt gute Lösungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf", findet König. "Wir müssen sie nur besser kommunizieren."

Mit diesem Ziel veröffentlichte am Donnerstag ein Bündnis aus IHK, Handwerkskammer, DGB und dem Beirat für Familienfragen eine Deklaration: Gemeinsam bekenne man sich zu mehr familienorientierter Personalpolitik in den Mitgliedsunternehmen. Die Deklaration sei ein Appell an alle Firmenchefs und Betriebsräte, sich einzusetzen für flexiblere Arbeitszeiten und -orte, für mehr Geschlechtergerechtigkeit und mehr Beratungsangebote zu Familienfragen für Chefs wie Mitarbeiter. Ab 2010 soll dazu alle zwei Jahre in einem Wettbewerb der "familienfreundlichste Betrieb in Berlin" gekürt werden. "Das wird Signalwirkung haben", ist sich IHK-Frau König sicher.

"Im Bereich der Vereinbarkeit von Arbeit und Familie liegt Berlin bundesweit zurück", bemerkt Nora Schmidt vom Familienbeirat. Dessen Studie vom Juni konstatiert, dass "2005 gerade einmal 1 Prozent aller Unternehmen in Berlin über eine Betriebsvereinbarung zum Thema Vereinbarkeitsförderung oder Chancengleichheit von Männern und Frauen verfügt" habe. Laut DGB sei Berlin zwar in der Kinderbetreuung gut aufgestellt, bei der Arbeitssituation hapere es aber. Vor allem die niedrigen Einkommen würden kein "stressfreies Familienleben" ermöglichen, so Doro Zinke, Berlin-Brandenburger DGB-Vizechefin.

Wie man mit der Deklaration tatsächlich mehr Familienfreundlichkeit erreicht, blieb derweil unklar. "Flexiblere Arbeitszeiten gegen einen drohenden Fachkräftemangel", fordert Ulrich Wiegand, Geschäftsführer der Handwerkskammer. "Geregelte, lebensgerechte Arbeitszeiten" will dagegen DGB-Frau Zinke. Wenn Dienstzeiten immer unregelmäßiger würden, könnten "manche Familien ihre Freizeit nur noch Wochen im Voraus planen". Zinke fordert, dass auch Führungsaufgaben nicht "150 Prozent der Zeit" ausfüllen dürften. "Warum können nicht auch diese Aufgaben auf mehrere Personen verteilt werden?", so Zinke.

Die SPD unterstützt die Deklaration. "Es müssen sich noch mehr Arbeitgeber zur Familienfreundlichkeit bekennen", sagt Sandra Scheeres, familienpolitische Sprecherin der SPD. Gerade für die Kinderbetreuung seien flexiblere Arbeitszeiten nötig. Wünschenswert wären neben einer Kernarbeitszeit im Büro auch flexible Arbeitsstunden zu Hause, so Scheeres Vorschlag.

Auch die Grünen sehen Handlungsbedarf. "Viele Arbeitgeber haben sich auf dem guten Berliner Kita-System ausgeruht, ohne selbst tätig zu werden", sagt Elfi Jantzen, familienpolitische Sprecherin. Vor allem Alleinerziehende brauchten mehr Unterstützung. "Der öffentliche Dienst ist da in Berlin kein Vorbild."

Auch Peter Ruhenstroth-Bauer, der Vorsitzendes des Familienbeirats, hofft, dass die Deklaration bei den öffentlichen Arbeitgebern "breite Nachahmung" findet. In der Familienfreundlichkeit besteht dort "deutlicher Nachholbedarf". Auch in der Finanzkrise sei Familienfreundlichkeit ein Standortfaktor und zu wichtig, um übersehen zu werden.

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