Flüchtlinge in der Warteschleife

Vor genau einem Jahr beschloss die Innenministerkonferenz eine Bleiberechtsregelung für langjährig geduldete Ausländer. Die Bilanz für Berlin fällt enttäuschend aus.

Altfallregelungen bleiben unklar Bild: AP

Ein Jahr nach dem Beschluss der Innenministerkonferenz zum Bleiberecht für langjährig geduldete Ausländer ziehen Berliner Flüchtlingsorganisationen eine ernüchternde Bilanz: Viel zu wenige Anträge habe die Ausländerbehörde bisher bewilligt. Die Bleiberechtsregelung sollte eine einmalige Chance für ständig von Ausweisung bedrohte Ausländer sein, die schon lange in Deutschland leben.

Wenngleich das Angebot ein Strohhalm war, haben allein in Berlin 3.098 Ausländer danach gegriffen. Als Alleinstehende mussten sie am Stichtag, dem 17. November 2006, mindestens acht Jahre, als Familie bereits sechs Jahre in Deutschland leben. Entscheidend für eine Bewilligung war es, dass binnen zehn Monaten eine existenzsichernde Arbeit nachgewiesen wird, die wenigstens auf Hartz-IV-Niveau liegt. 583 Anträge wurden in Berlin bis Ende August bewilligt, 466 abgelehnt. Die verbleibenden 2.049 Ausländer können vor allem von der verzweifelten Suche nach einer vernünftig bezahlten Arbeit berichten.

Sadri Fazli, Kriegsflüchtling aus dem Kosovo, ist ein sogenannter Altfall mit offenen Antrag. Er gibt die Hoffnung nicht auf, noch einen Job zu finden. Gerade wartet er auf einen Bescheid vom Krankenhaus in Potsdam. Dort hat sich der Expolizist als Reinigungskraft beworben. "Ich warte. Ich hoffe. Ich gucke jeden Tag in den Briefkasten." Frühere Versuche, eine Arbeit zu finden, schlugen fehl. Einmal hatte er die Zusage für einen Job, der ihm 630 Euro im Monat eingebracht hätte. Das sei zu wenig, beschied die Behörde. Schließlich muss der 41-Jährige, der seit zehn Jahren in Deutschland lebt, nachweisen, dass er nicht nur für sich, sondern auch für seine kriegstraumatisierte Frau und die drei Kinder aufkommen kann. Immerhin hat er seit Ende September eine Aufenthaltserlaubnis für zwei Jahre. Das gibt ihm etwas Luft bei der Jobsuche. "Rufen Sie mich an, wenn Sie von einer Arbeit wissen", bittet er.

Hernan Iles, ein Ingenieur aus Kolumbien, war etwas erfolgreicher. Vor acht Jahren war er mit seiner Frau und den vier Kindern nach Berlin geflüchtet, seit ein paar Monaten ist er Imbissverkäufer am Bahnhof Friedrichstraße. 1.000 Euro netto im Monat bringt das. "Es macht Spaß, es muss Spaß machen", sagt er.

Um auf die Zwangslage der Betroffenen aufmerksam zu machen, hat der Kirchenkreis Teltow-Zehlendorf im Frühjahr eine Arbeitsplatzkampagne gestartet, um Flüchtlingen bei der Jobsuche zu helfen. Über 100 meldeten sich. Für elf konnten "reguläre, gute Arbeitsverhältnisse", wie Eva-Maria Kulla vom Kirchenkreis sagt, gefunden werden. Iles ist einer der elf. Einen sicheren Status in Deutschland hat er mit seinem Job dennoch nicht. Seine Aufenthaltserlaubnis gilt nur bis nächsten Oktober.

Flüchtlingsverbände werfen der Ausländerbehörde denn auch ein willkürliches Vorgehen bei der Ausführung der Bleiberechtsregelung vor. "Im Verhältnis zu anderen Bundesländern ist die Berliner Bilanz mehr als enttäuschend", meldet der Flüchtlingsrat in seiner Einjahresbilanz. Brandenburg etwa habe prozentual doppelt so viele Anträge bewilligt. Die Berliner Behörde weigere sich, Antragstellern zu schreiben, welche Unterlagen im konkreten Einzelfall noch erforderlich seien, kritisiert die NGO. Zudem weigere sich die Ausländerbehörde weiterhin, Anträge von Asylbewerbern auf Bleiberecht zu akzeptieren. "Eine Bleiberechtsregelung, die den Namen verdient, sähe anders aus", sagt Siegfried Pöppel vom Flüchtlingsrat. Sie böte verbindliche Grundlagen ohne Stichtagsregelungen sowie Normen, auf deren Basis die Betroffenen ihr Leben planen können.

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