Vertragsende für 280 Erzieher: Frust zum neuen Jahr

Die Verträge von insgesamt 280 HorterzieherInnen enden an Silvester. Wie es weitergeht, ist völlig offen. An den Schulen werden die ErzieherInnen dringend gebraucht.

Leere Hortklassen ab 2010? Bild: dpa

Sehr geräumig und gemütlich, voller Grünpflanzen und schmucker Bastelarbeiten sind die Freizeitbereichräume der Werbellinsee-Grundschule. Von den Fenstern in der dritten Etage hat man einen weiten Blick über den großzügigen Schulhof und die Dächer des umliegenden Kiezes zwischen Martin-Luther-, Hohenstauffen- und Kleiststraße in Nordschöneberg. Schön ist das alles - doch praktisch ist es nicht: Die Kinder, auch die ganz kleinen, haben von dort oben einen weiten Weg durch das Treppenhaus bis hinaus. Und der Schulhof, gebaut quer über die Straße, die einst vor dem Schulhaus verlief, ist immer noch an zwei Seiten offen und wird von Anwohnern als Durchgang genutzt.

Das alles wäre kein Problem - es erfordert einfach ausreichende Aufsicht. Doch dafür braucht man Personal, und genau daran mangelt es an der Werbellinsee-Grundschule ebenso wie an vielen anderen Schulen. Nicht nur, dass ErzieherInnenstellen für Schulen sowieso extrem knapp bemessen sind: Eine halbe Stelle pro Klasse gibt es für die Jahrgänge 3 bis 6; für die ersten beiden Jahrgangsstufen sind es 0,75 ErzieherInnen pro Lerngruppe. Viele der den Schulen zuerkannten Stellen bleiben zudem unbesetzt: Sie dürfen nur mit freigestellten Kräften aus dem Stellenpool des öffentlichen Diensts gefüllt werden. Da gibt es keine Erzieher mehr.

Deshalb hatte der zuständige Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) den Schulen in diesem Jahr erlaubt, Beschäftigte auf dem freien Markt zu suchen und befristet einzustellen. Zudem wurde bereits angestellten ErzieherInnen die - ebenfalls befristete - Aufstockung ihrer Arbeitszeit erlaubt. Diese Fristverträge laufen nun zum Jahresende aus. Wie es nach den Weihnachtsferien weitergehen wird, ist zehn Tage vor Ferienbeginn völlig offen.

An der Werbellinsee-Grundschule kümmern sich 19 Teilzeit- und VollzeiterzieherInnen um die 385 Kinder im verbindlichen Ganztagsbetrieb. Die Schule hat als teils offene, teils geschlossene Ganztagsgrundschule ein kompliziertes Betreuungsmodell: Etwa einhundert der knapp 500 SchülerInnen gehen täglich nach der Schule in externe Horte. Der Rest wird in der Schule betreut. Der Unterricht kann deshalb nicht wie an "echten" Ganztagsgrundschulen komplett durchrhythmisiert, also auf den Nachmittag ausgedehnt werden. Darauf ist aber die knappe Berechnung der Erzieherstellen angelegt. An zwei Tagen versucht die Schule deshalb die Rhythmisierung: Dann werden die externen Hortkinder von den SchulerzieherInnen mitbetreut. "Die pädagogischen Grundgedanken der Ganztagsschule, etwa die individuelle Förderung von Kindern, kommen unter solchen Arbeitsbedingungen zu kurz", sagt Renate Nowack, leitende Erzieherin der Grundschule. An manchen Tagen, etwa wenn KollegInnen krank sind, "kann man nur noch beten, dass kein Kind zu Schaden kommt oder wegläuft".

Dabei könnte alles viel besser sein: Eigentlich hat Renate Nowack Anspruch auf drei zusätzliche KollegInnen. Sie findet aber keine, denn der Stellenpool ist leer und auf dem freien Markt suchen darf die Cheferzieherin nicht. Immerhin eine der drei Stellen konnte Nowack aufgrund Zöllners Sonderregelung mit einer befristet beschäftigten Kraft füllen. Ob die nach Weihnachten wiederkommt, ist ungewiss.

"Unverantwortlich" nennt es die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), dass der Senator noch keine Lösung angeboten hat: Die befristet Beschäftigten bräuchten eine Perspektive, die Schulen Planungssicherheit, so Rosemarie Seggelke, Vorsitzende der GEW Berlin.

Aus der Senatsbildungsverwaltung kommt bisher jedoch mehr Nebel als Klarheit: Die Verlängerung der Verträge sei "beabsichtigt, kann aber noch nicht zugesichert werden", heißt es vage. Notwendig sei zuvor die Abstimmung mit allen Beteiligten: "Es ist unser Ziel, dass es weitergeht", so ein Sprecher, "wir arbeiten dran." Wenig Trost für die befristet Beschäftigten, noch weniger für die Schulen, meint GEW-Chefin Seggelke: "ErzieherInnen werden überall gesucht." Wenn nicht bald ein Angebot vom Senat komme, würden die FristvertraglerInnen vielleicht nicht mehr zur Verfügung stehen.

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