Bürger besichtigen Flugfeld Tempelhof: Gedanken zum Abheben

Mit Bustouren und Fußmärschen über das Tempelhofer Flugfeld startet Berlin die Bügerbeteiligung vor Ort. Was aus der Rasenweite wird, entscheidet ein Wettbewerb.

Auch einen Form der Nachnutzung: In einem Hangar auf dem Flughafen fand am Wochenende ein Reitturnier statt Bild: dpa

Kerim Seiler und sein elf Jahre alter Sohn Cem-Emirhan sitzen im riesigen Hangar 1 des einstigen Flughafens Tempelhof und füllen drei Bogen Papier mit 15 Fragen aus. "Was sind Ihre Gründe für den Besuch von Park- oder Grünanlagen?", lautet eine der Fragen. "Spazieren gehen, oder was meinst du?", fragt der Vater den Sohn. Der nickt, und Seiler kreuzt "Spazieren gehen" an. Sie streichen auch noch "Ball spielen", "auf dem Rasen liegen" oder "Familienpicknick" an. Der Vater aus Kreuzberg hätte zudem gern, dass das Tempelhofer Flugfeld kaum mit Häusern bebaut, dafür aber mit Bäumen und Sportflächen strukturiert wird. Und wichtig ist den beiden, dass man das weite Rasengelände von überall betreten kann. Für abschließbare Tore haben Seiler und Sohn Cem-Emirhan nur ein Kopfschütteln übrig.

Spazieren gehen, Ball spielen, auf dem Rasen liegen oder gar wohnen sind auf der 386 Hektar großen Fläche, auf der im Herbst 2008 der Flugbetrieb eingestellt worden ist, derzeit nicht erlaubt. Doch mit der "Bürgerbeteiligung Parklandschaft Tempelhof" vom Wochenende nahm das Land Berlin den längst fälligen Dialog über die Zukunft des Areals mit seinen Anwohnern auf. Die Gedanken sollten "abheben", wie es auf einem Plakat hieß. Anregungen und Wünsche für die Gestaltung des großen Ovals zwischen Neukölln und Kreuzberg konnten schon einmal als Vorstellung "formuliert und debattiert werden", wie es sich Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) erhoffte. Die Ergebnisse sollen in den landschaftsplanerischen Ideenwettbewerb Ende 2009 aufgenommen werden.

Es wäre zu "hoffen", dass die Senatorin den Anspruch auf abhebende Gedanken nicht wieder revidiert und die Ideen der Bürger ernst genommen werden. Rund 300 Fragebögen waren nach Auskunft der Organisatoren am Samstag abgegeben worden, am Sonntag wurden gleich viel erwartet. "Es ist nötig, dass unsere Interessen berücksichtigt werden bei der Planung", fordert Seiler. Sein Fragebogen-Nachbar nickt zustimmend und nennt auch gleich die seinen: "Einen offen zugänglichen Park mit Sport- und Freizeitanlagen finde ich wichtig, und vielleicht noch Wohnungen auf der Neuköllner Seite sind für mich vorstellbar. Aber Gewerbe, was soll das? Das kann doch mal nach Tegel."

Das Gewicht und der Ernst der Bürgerbeteiligungen sowie ihre Rezeption in den Verwaltungen werden mit Sicherheit ausschlaggebend sein für die Qualität des künftigen Tempelhofer Parks, geben Landschaftsarchitekten und Berliner Grüne zu bedenken. Bisher hat es an diesem Dialog gemangelt. Schon Junge-Reyers Vorschläge, das Feld in einem Mix aus Parklandschaft, Wohnen am Columbiadamm, Gewerbebauten im Süden sowie Kultureinrichtungen im einstigen Flughafengebäude von 1935 zu gestalten, stießen auf Kritik. Harsche Vorwürfe musste sie sich anhören, als sie ankündigte, die Umzäunungen zu erhalten und dass Parknutzer nach der Öffnung im Mai 2010 mit strikten Regeln gegängelt werden sollen. Weil nachts der einstige Airport-Rasen wieder abgeschlossen werden soll, gingen Initiativen wie Squat Tempelhof auf die Barrikaden. Sie drohten mit Platzbesetzungen.

Dass die Gemengelage aus geordneten Parkflächen, wilder Naturlandschaft und gepflegter Randbebauung nicht einfach zu lösen sein wird, war auch auf den - recht dürftig besetzten - Bustouren am Sonntag vernehmbar. Kaum waren die Mitfahrer in die windige Weite des über 2.000 Meter langen Flugfeldes - zwischen "Crash-Gate" im Osten und altem Tower im Westen - eingetaucht, stürmte es in den Köpfen. Die einen wollten das Feld nicht den "wilden Gruppen" à la Squat Tempelhof überlassen und lobten den sicheren Park mit Vorhängeschloss. Andere fanden es umgekehrt richtig: "Tempelhof war immer das freie Feld in der Stadtmitte. Und jetzt muss es offen für uns alle werden. "

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