Landtagswahl in Brandenburg (1): Grüne hoffen auf Rückenwind vom Land

Nach 15 Jahren wollen die Grünen wieder in den Potsdamer Landtag - mit dem Fokus auf Umweltthemen und mehr Unterstützung aus der Peripherie. Parteienforscher dämpft große Erwartungen.

So stellen sich Grüne Barndeburg vor: Ausschnitt aus einem aktuellem Wahlplakat Bild: Grüne

Das Wahlkampfthema der Brandenburger Landesgrünen ist so unspektakulär wie einleuchtend: Die klare Ausrichtung auf Umweltthemen soll der Partei bei den Landtagswahlen endlich die nötigen Stimmen für den Einzug ins Parlament bringen. "Wir fordern die konsequente ökologische Modernisierung der Wirtschaft", sagt der Sprecher der Partei, Tobias Arbinger. "Die beiden großen Krisen - Wirtschaftskrise und Klimakrise - müssen gemeinsam gelöst werden." Eine Fokussierung, die sich auszahlen könnte: Denn anders als andere Parteien hätten die Grünen ein alternatives Angebot zur Regierungspolitik im Bereich der Umwelt- und Klimapolitik, sagt der Politologe Jochen Franzke von der Uni Potsdam. "Das ist ihr größter Trumpf", sagte er Montagabend im RBB.

Bei der Landtagswahl vor fünf Jahren erreichten die Grünen lediglich 3,6 Prozent der Stimmen. Nach dem Ergebnis der Europawahl, bei der 8,4 Prozent Stimmen auf die Partei entfielen, sehen sich die Grünen nun im Aufwind. Parteienforscher Oskar Niedermayer bestätigt den grünen Optimismus. "Insgesamt ist die Großwetterlage für die Grünen gar nicht so schlecht", sagt der Wissenschaftler an der Freien Universität (FU) der taz. Der Einzug in den Landtag sei ein erreichbares Ziel.

Es klingt fast zu kitschig, um wahr zu sein: Als Axel Vogel in den späten 1970ern das Buch "Ein Planet wird geplündert" las, war das der Startschuss für seine politische Karriere. "Es war tatsächlich so etwas wie ein Erweckungserlebnis", sagt Vogel heute. Eine Erweckung, die ihn zunächst zu einem der Gründungsmitglieder der Grünen machte und ihn 1983 gleich für die Partei in den Bundestag katapultierte.

Heute kandidiert der 53-Jährige wieder - als Listenzweiter für den Brandenburgischen Landtag. "Da gibt es derzeit viel zu viel Harmoniegesülze", kritisiert er dessen Arbeit. Viele Gesetzesentwürfe würden von SPD, Linkspartei und CDU zusammen getragen, es gebe zu wenig Debatte. "Brandenburg war einmal Vorreiter einer sehr ambitionierten Umweltpolitk", sagt Vogel. Dazu will er es wieder machen - gemeinsam mit der Listenersten Marie Luise von Halem.

"Wir stehen gut da, weil klimapolitische Themen in der letzten Zeit in den Vordergrund gerückt sind", schätzt Halem das Interesse der Wähler ein. Die 47-Jährige, die zum ersten Mal als Spitzenkandidatin antritt, ist wie Vogel in Bayern aufgewachsen. Nach Brandenburg haben in den 1990er Jahren familiäre Verbindungen geführt - und das Interesse an der Entwicklung nach der Wende teil zu haben. "Es ist nett in Bayern, aber es ist statischer. In Brandenburg ist die Veränderungsbereitschaft höher", sagt Halem. Die Menschen hätten in ihrem Leben größere "Umwälzungserfahrungen" gemacht und seien offener für Neues. Eine Notwendigkeit zur Veränderung sieht sie auch bei ihrem Herzensthema, der Bildungspolitik. Denn der Bildungserfolg hänge immer noch zu stark vom ökonomischen Hintergrund ab. "Da wird unheimlich viel Potential verschleudert", kritisiert sie.

Der Listenzweite Vogel selbst sieht sich als typischer Grüner: "Ich nutze größtenteils den öffentlichen Nahverkehr, nur, wenn es gar nicht anders geht, unser Erdgasauto und lebe in einer Hausgemeinschaft." Seinen Schwerpunkt sieht er beim Umbau der Energie-Versorgung hin zu erneuerbaren Energien. Trotzdem legt er Wert darauf, dass die Grünen keine Vorgaben zum Lebensstil machen dürfen. "Man kann nicht erwarten, dass alle Leute nach dem grünen Wahlprogramm leben."

Ein wenig höher liegen die Ziele beim Wahlergebnis. Die 8,4 Prozent bei der Europawahl sehen Vogel und Halem als Maßstab. Experten sehen dafür gute Chancen: Der Brandenburger Landesverband der Grünen gehört zu denen, die im vergangenen Jahr am meisten Mitglieder dazu gewonnen haben. SVENJA BERGT

Die Grünen wollen bis 2020 den gesamten Strom aus erneuerbaren Energien erzeugen, sie wollen mehr ökologische Anbauflächen, werben mit Mottos wie "Buddelstopp für Brandenburg" und wollen so die Trendwende in der Peripherie schaffen. Denn bisher war es stets so, dass die Partei im Berliner Speckgürtel punktete, aber auf dem Land kaum Stimmen holte.

Auf den ersten Blick ein Widerspruch, liegen doch in der Brandenburger Landschaft die drängenden ökologischen Chancen und Herausforderungen wie Windkraft, Tagebau, Kohlendioxid-Einlagerung unter der Erde (CCS). "Die Grünen haben ein bisschen das Problem der mangelnden Organisationskraft in den ländlichen Bereichen", sagt Niedermayer. Es hapere häufig an der Zusammenarbeit von Partei und Bürgerinitiativen auf dem Land. Der Landesgeschäftsführer des BUND, Axel Kruschat, bestätigt das indirekt. Die Zusammenarbeit mit den Grünen habe sich in den vergangenen Jahren deutlich verbessert. Allerdings habe es seinem Eindruck nach oft am Personal vor Ort gefehlt, um "grüne" Themen auch grün zu besetzen.

Kruschat hat indes eine Trendwende ausgemacht. "Wir stellen zunehmend fest, dass die Grünen Umweltthemen wieder mehr in den Vordergrund stellen." Das sei auch daran erkennbar, dass sich die Partei bei Bürgerbegehren wie etwa der Tagebauproblematik und CCS stark einbrächten. "Und die steigende Zahl der Bürgerinitiativen zeigt, wie enttäuscht die Menschen von den regierenden Parteien sind", so Kruschat. Er ist zuversichtlich, dass die Grünen diesmal auf dem Land punkten können. "Das politische Klima in Brandenburg ändert sich."

Auch Grünen-Sprecher Arbinger rechnet mit einem Stimmenzuwachs im ländlichen Raum. Mehr noch als vor fünf Jahren hätten die Menschen erkannt, dass die Landesregierung in der Energie- und Infrastrukturpolitik den falschen Weg gehe. Er verweist auf das Engagement seiner Partei beim Volksbegehren gegen Tagebaue: "Während des Volksbegehrens sind zahllose Kontakte und Netzwerke entstanden, und viele, insbesondere junge Menschen sind erstmals politisch aktiv geworden", so Arbinger.

Niedermayer aber dämpft allzu große Hoffnungen, dass die Grünen anderen Parteien in der Provinz den Rang ablaufen oder in erheblichem Maß Nichtwähler mobilisieren könnten: In den Berlin-fernen Regionen gebe es zwar die ökologischen Probleme, aber sie seien in der Relevanzskala nicht sehr weit oben, wenn etwa der Arbeitsplatz fehlt. "Ich glaube nicht, dass es eine wesentliche Verschiebung geben wird", sagt er über das Stimmenverhältnis von Speckgürtel zu Peripherie. Sein Kollege Franzke fügt hinzu: Das Wählerpotenzial sei auf dem Land einfach begrenzt. Studenten, gut ausgebildete Menschen - die lebten vielleicht noch um Berlin herum oder in Potsdam. Aber nicht in der Provinz.

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