Umwelt versus Verkehr: Havelausbau schifft ab

Verkehrsminister und Schiffahrtsdirektion rudern zurück: In der Havel wird vorerst auf einen Eingriff in die Uferbereiche verzichtet. Binnenschiffer transportieren weniger.

Havel, unausgebaut Bild: reuters

Es ist eine gute Nachricht für alle Umweltschützer: Die Wasser- und Schifffahrtsdirektion Ost (WSD) in Magdeburg hat entschieden, die Ufer von Havel, Spree und Sacrow-Paretzer-Kanal nicht auszubaggern. Der Ausbau für den sogenannten Begegnungsverkehr von zwei Schiffen erfolge vorerst nur dort, wo keine Eingriffe in die Uferbereiche erforderlich werden, heißt es aus Magdeburg. Der Ausbau der Havel, wie es das Verkehrsprojekt Deutsche Einheit Nr. 17 seit 1992 vorsieht, fällt damit erst mal flach.

"Ich hätte nicht gedacht, dass das Amt so weit geht", freut sich Winfried Lücking, Flussexperte beim Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND). Der Verband hatte vor dem Bundesverwaltungsgericht gegen den Plan des WSD geklagt, den 13 Kilometer langen Sacrow-Paretzer-Kanal auszubauen. Das Gericht hatte beide Parteien zu einem Vergleich aufgefordert, der bis Ende 2009 abgeschlossen sein soll. "Nach meiner Überzeugung muss die Havel zum überwiegenden Teil nicht ausgebaut werden", sagt nun auch Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD). Doch festlegen will Tiefensee sich nicht, sondern erst mal prüfen lassen.

Für den BUND geht es jedoch auch um die geplante Vertiefung der Fahrrinne in der Havel auf 4 Meter. Nur so könnten, lautete die bisherige Argumentation von Amt und Ministerium, 3.500 Tonnen schwere Binnenschiffe wie auf dem Rhein fahren. "Für die wirtschaftliche Zukunft in den neuen Bundesländern ist es notwendig, dass 185 Meter lange Schubverbände mit 2,80 Meter Abladetiefe die Berliner und Brandenburger Häfen zügig erreichen können", so Tiefensee.

Völliger Quatsch, meint Flussschützer Lücking. Bisher könnten die Binnenschiffe mit 1.500 Tonnen beladen werden: "Die kriegen die Schiffe jetzt schon nicht voll." Eine Studie der TU Hamburg-Harburg bestätigt das. Demnach ist das Güteraufkommen der Binnenschiffer von 1997 bis 2006 in Brandenburg um 31 Prozent zurückgegangen, in Berlin sogar um 53 Prozent. "Wir sehen nicht, woher die Güter kommen sollen." Die Havel sei nicht der Rhein und Berlin längst kein Industriezentrum mehr, sondern ein Dienstleistungszentrum.

Die Brandenburger Grünen-Politikerin im Bundestag, Cornelia Behme, fordert deshalb vom Verkehrsministerium, die Pläne den Realitäten anzupassen: "Wir wollen eine belastbare Aussage, dass man sich grundsätzlich vom Havelausbau verabschiedet. Man muss weder die Ausbaggerung noch einmal prüfen noch überhaupt Fahrrinnenvertiefung in Erwägung ziehen." Es gebe einfach nicht den Bedarf und sei "eine falsche Investition, die zu Naturzerstörung und Verschwendung von Steuergeldern führt. Das können wir uns nicht leisten."

Selbst im Haus von Tiefensee gibt es übrigens längst Zahlen, die das belegen: Die Binnenschifffahrt, so eine Prognose von vor zwei Jahren, nehme bis 2025 ab, ebenso wie nach neuesten Zahlen die Transportmenge in den wichtigsten Schleusen zwischen Elbe, Havel und Spree.

Doch auch wenn Tiefensee jetzt kurz vor der Wahl zurückrudert und in Brandenburg von CDU bis Grüne alle gegen den Havelausbau dagegen sind - einen gewichtigen Fürsprecher hat das Vorhaben: Wirtschaftsminister zu Guttenberg fordert eine Abladetiefe von 2,80 Meter, und das für alle bundesdeutschen Wasserstraßen.

Winfried Lücking ist dennoch optimistisch: "Wenn jetzt die WSD auch noch bei der geplanten Vertiefung einlenkt, kann endlich eine sinnvolle Lösung für Natur- und Binnenschifffahrt gefunden und ein jahrzehntelanger Konflikt einvernehmlich gelöst werden."

CORNELIA BEHME, GRÜNEN-POLITIKERIN

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.