Christopher Street Day in Berlin: Homos tanzen fürs Grundgesetz

SPD, Linke und Grüne wollen, dass Homos im Grundgesetz vor Diskriminierung geschützt werden. Die CDU nennt das Effekthascherei kurz vorm Christopher Street Day.

Politisches Puscheln: CSD-Schuhwerk im vergangenen Jahr Bild: AP

Zwei Tage vor dem Christopher Street Day (CSD) setzt sich die Berliner Landespolitik für die Rechte Homosexueller ein und fährt dazu schweres Geschütz auf. Nicht weniger als eine Grundgesetzänderung wollen SPD, Linke und Grüne erreichen. Die "sexuelle Identität" soll in das Diskriminierungsverbot in Artikel 3 des Grundgesetzes aufgenommen werden. Dazu haben die Fraktionen am Donnerstag einen Antrag verabschiedet, der den Senat auffordert, eine entsprechende Bundesratsinitiative einzureichen. Die Parteien folgen damit der zentralen Forderung des diesjährigen CSD.

"Die Änderung wäre auch ein Signal der historischen Wiedergutmachung", sagte Klaus Lederer, Landeschef der Linkspartei, der taz. Im Artikel 3 seien von Beginn an zwei Gruppen vergessen worden: Behinderte und Homosexuelle. "Das eine wurde 1994 korrigiert, auf den Rest warten wir noch heute." Man wolle den CSD-Aktivisten zudem signalisieren, dass die Politik in Berlin ihre Forderungen unterstützt.

Die Erfolgsaussichten der Grundgesetzänderung sind derzeit gering. "Ohne Zustimmung der Union kann keine Zweidrittelmehrheit im Bund erreicht werden", sagte der grüne Abgeordnete Thomas Birk. Es müsse eine gesellschaftliche Debatte angeregt werden; nur dann bestünde die Chance, dass CDU und FDP von ihrer Abwehrhaltung abrückten.

Der CDU-Abgeordnete Sascha Steuer, selbst offen schwul, sieht in dem Antrag reine Effekthascherei vor dem CSD. "Wir sind nicht einmal gefragt worden, wie wir zu dem Antrag stehen. Das zeigt doch das politische Kalkül", sagte er. Zudem lehne es die CDU ab, das Grundgesetz zu überfrachten. "Das ist eine der weltweit besten Verfassungen, da muss man genau überlegen, wo es verändert werden soll."

Berlin hat im Bereich der Gleichstellung von Homosexuellen und Transsexuellen eine Führungsposition in Deutschland. Die Landesverfassung enthält bereits ein Verbot von Diskriminierung aufgrund der sexuellen Identität; die Gleichstellung von homosexuellen Lebenspartnerschaften ist weit fortgeschritten. Die letzte Lücke hat der Senat am Dienstag geschlossen: Nach dem verabschiedeten Gesetzentwurf werden künftig auch in Heilberufen eingetragene Lebenspartnerschaften bei der Hinterbliebenenversorgung berücksichtigt. "Mehr kann man auf Landesebene eigentlich nicht mehr machen", erklärte Thomas Birk.

Trotz aller Aufklärungskampagnen und politischer Forderungen sind Homosexuelle jedoch noch immer Anfeindungen ausgesetzt. Besonders im Land Brandenburg sei die Situation gefährlich, teilte die Landeskoordinierungsstelle LesBiSchwule in Potsdam mit. Die Bereitschaft, homophobe Übergriffe anzuzeigen, sei in Berlin viel größer als dort, wo jeder jeden kenne.

Der CSD steht am Samstag unter dem Motto "Stück für Stück ins Homo-Glück - Alle Rechte für Alle". Eine halbe Million Menschen werden erwartet. Die kommen zwar vor allem zum Feiern, der CSD soll aber auch auf die noch immer herrschenden Ungleichheiten aufmerksam machen. Neben der Forderung der Grundgesetzerweiterung fordern die CSD-Organisatoren, die Homosexuellen, die im Nachkriegsdeutschland nach Paragraf 175 verfolgt wurden, moralisch und materiell zu entschädigen. "Zwischen 1949 und 1969 wurden 50.000 Schwule verurteilt, mehr als unter den Nazis", sagte CSD-Vorstand Jan Salloch.

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