Berliner Umweltzone: In der Zone darf gesündigt werden

Bezirke fordern: Verstöße gegen die Umweltzone in der Berliner City sollen vorerst nicht geahndet werden. Doch der Senat hält an seinem Vorhaben fest.

Für Autobahnreisende schon unübersehbar: Die neue Umweltzone für die Berliner Innenstadt Bild: DPA

Zweieinhalb Wochen vor der Einführung der Umweltzone wollen die Bezirke auf die Bremse treten: Die zuständigen Stadträte fordern den Senat auf, Verstöße erst einmal nicht zu ahnden. Denn noch sei unklar, wie man mit in der Umweltzone stehenden Fahrzeugen ohne Plakette umgehen solle. "Es wird dringend empfohlen, bis zur Klärung in einer Übergangszeit keine Ahndungen durchzuführen, sondern nur mit Hinweiszetteln auf die Neuregelung der Umweltzone hinzuweisen", heißt es in einer gemeinsamen Erklärung der Stadträte vom Mittwoch.

Ab Januar gilt die erste Stufe der Umweltzone. Dann dürfen nur noch Pkws und Lkws innerhalb des S-Bahn-Rings fahren, die eine rote, gelbe oder grüne Plakette haben. Autos und Lastwagen ohne Aufkleber müssen draußen bleiben. Betroffen sind laut Senat in Berlin rund 85.000 Fahrzeuge. Ihre Besitzer müssen Rußfilter einbauen lassen oder eine Ausnahmegenehmigung beantragen.

Richtig ernst wird es erst 2010: Dann tritt die verschärfte zweite Stufe in Kraft. Das heißt, dass nur noch Fahrzeuge mit grünem Sticker in der Zone verkehren dürfen. Der Senat schätzt, dass davon 114.000 Autos und Lastwagen betroffen sein werden.

Die Plaketten erhält man bei allen Kfz-Zulassungsstellen, aber auch bei TÜV, Dekra und zahlreichen Werkstätten. Sie kosten ab 5 Euro. Die Zonen-Sticker gelten nicht nur in Berlin, sondern auch in den Umweltzonen anderer deutscher Städte.

Während die Polizei den fließenden Verkehr kontrolliert, sind die Ordnungsämter der Bezirke für die Überprüfung der geparkten Fahrzeuge zuständig. "Rechtlich ist das jedoch mehr als fraglich", sagt Marc Schulte (SPD), Stadtrat für Ordnungsangelegenheiten in Charlottenburg-Wilmersdorf. Im bundeseinheitlichen Tatbestandskatalog sei nicht klar festgelegt, ob auch Halter von stehenden Autos kontrolliert werden können. Damit dieser Streitpunkt "nicht auf dem Rücken der Bezirke ausgetragen wird", will Schulte eine Schonfrist von drei Monaten.

Der Senat weist diese Forderung zurück. "Eine Übergangszeit gibt es auf keinen Fall. Die Umweltzone gilt vom ersten Januar an", sagte am Mittwoch die Sprecherin der Umweltverwaltung, Regina Kneiding. Sie räumte ein, dass zwischen Polizei und Ordnungsämtern noch Abstimmungsbedarf bestehe, verwies aber auf ein für den 19. Dezember geplantes Gespräch zwischen den Bezirken, der Innen- und der Umweltverwaltung. "Wir gehen davon aus, dass die offenen Fragen rechtzeitig geklärt werden." Das heißt: Wer nach Silvester ohne gültige Plakette innerhalb des S-Bahn-Rings erwischt wird, muss mit einem Bußgeld von 40 Euro rechnen und bekommt einen Punkt in Flensburg.

Fragt sich nur, wie stark die Kontrollen tatsächlich ausfallen. Die Bezirke haben laut Schulte in ganz Berlin nur sechs zusätzliche Stellen für die Überprüfung der Zonen-Sticker zugeteilt bekommen. "Eine flächendeckende Kontrolle wird mit der bestehenden Personalausstattung nicht möglich sein", heißt es in der Erklärung der Stadträte. Ein Sprecher der Polizei sagt: "Wir sind zu Kontrollen verpflichtet. Sie werden aber sicher nicht das Hauptziel unserer Arbeit sein."

Da verwundert es nicht, dass viele Berliner die Umweltzone bis jetzt nicht besonders ernst nehmen. Laut Angaben des Senats haben erst 56 Prozent der 1,2 Millionen in Berlin gemeldeten Fahrzeuge eine Plakette. Rund 85.000 Autos und Lastwagen stoßen soviel Feinstaub aus, dass sie von einem Fahrverbot betroffen sind. Doch bis jetzt haben erst 1.800 Fahrzeughalter einen Antrag auf eine Sondergenehmigung gestellt, 800 davon haben die Bezirke auch erteilt. "Sobald die ersten Strafen verhängt werden, gibt es einen Ansturm", schätzt Stadtrat Schulte.

Rückendeckung bekommen Umweltzonen-Skeptiker von der EU. Das Europaparlament hatte für Städte und Kommunen mit ungünstigen Ausgangsbedingungen am Montag eine Schonfrist beschlossen. Demnach müssen sie frühestens 2011 mit Strafen rechnen, wenn sie die Grenzwerte für Feinstaub nicht einhalten.

Die Berliner Industrie- und Handelskammer forderte daraufhin, die Einführung der Umweltzone zu verhindern. Das Projekt sei "überzogen" und ein "bürokratisches Monstrum", sagte ein Sprecher. Doch auch dies wies die Umweltverwaltung zurück: "Wir bleiben bei unserer Regelung", sagte Kneiding.

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