Religion in der Schule: Keiner will Gebetsecken für Schüler

Der Gerichtsbeschluss, dass eine Schule einen Gebetsraum für muslimische Schüler einrichten muss, löst Empörung aus. Schulleiter fürchten um den religiösen Frieden, Oppositionspolitiker sehen das Neutralitätsgebot gefährdet.

Der Beschluss des Berliner Verwaltungsgerichts, dass eine Schule im Wedding einem muslimischen Schüler das Verrichten seines Gebets in der Schule ermöglichen muss, sorgt für Unmut. Schulsenator Jürgen Zöllner (SPD) kündigte am Mittwoch eine Prüfung der Entscheidung an. Das Gebet müsse sich "störungsfrei in den Schulbetrieb einfügen". Es gelte sicherzustellen, dass die Schule weltanschaulich und religiös neutral sei.

Das Gericht hatte am Montag dem Antrag eines 14-jährigen Schülers zugestimmt, der von seiner Schule, einem Gymnasium in Mitte, mit Verweis auf seine grundgesetzlich garantierte Religionsfreiheit verlangt hatte, ihm einmal täglich die Möglichkeit zu beten einzuräumen. Das Gericht folgte dem mit dem Hinweis, die Senatsverwaltung habe nicht darlegen können, dass dadurch "eine nicht hinnehmbare Beeinträchtigung des Bildungs- und Erziehungsauftrags und des Schulbetriebs" erfolge. Durch entsprechende organisatorische Vorkehrungen" könne, so das Gericht, "der Gefahr einer demonstrativen bzw. werbenden Präsentation des Gebets" begegnet werden.

SchulleiterInnen befürchten, dass daraus auch für andere Schulen die Pflicht zur Einrichtung eines muslimischen Gebetsraumes erwachsen könne. "Mit Entsetzen" habe er den Beschluss zur Kenntnis genommen, sagt Rainer Völkel, Leiter des Robert-Koch-Gymnasiums in Kreuzberg. 93 Prozent seiner SchülerInnen sind nichtdeutscher Herkunft, die meisten Muslime. "Wir haben ohnehin das Problem, dass Schüler, die während der Fastenzeit essen oder trinken, gemobbt werden", so Völkel. Und Wolfgang Harnischfeger, Leiter des Beethoven-Gymnasiums in Steglitz-Zehlendorf und Vorsitzender der Berliner Schulleitervereinigung in der GEW, sagt, mit dem Grundsatz, zwar nicht Religion, aber doch Religionsausübung "aus den Schulen herauszuhalten", sei man bisher gut gefahren.

Unterstützung bekommen die Schulleiter von den Oppositionsparteien: Schule müsse ein neutraler Ort bleiben, sagt der Grüne Özcan Mutlu. Der Christdemokrat Sascha Steuer fürchtet, dass "offizielle Beträume das Miteinander erschweren, da es zu Spannungen zwischen Schülern unterschiedlicher Religionen kommen kann". Die Grüne Kreuzberger Bildungsstadträtin Monika Herrmann ergänzt den Beschluss ergänzt: "Wenn Eltern wollen, dass Kinder religiös erzogen werden, dann müssen sie eben konfessionelle Privatschulen gründen."

Imran Sagir vom Muslimischen Verein Inssan hält die Forderung nach Gebetsräumen für überflüssig: "Muslime können überall beten, und es stört doch nicht, wenn jemand sich fünf Minuten zum Beten zurückzieht." Er selbst habe sich während seiner Schulzeit an einem Berliner Gymnasium ungehindert "in eine stille Ecke zum Gebet zurückziehen können".

Zu Besonnenheit rät der Migrationsbeauftragte Günter Piening. Der Beschluss des Verwaltungsgerichtes regele einen Einzelfall, sich daraus ergebende Konsequenzen für andere Schulen seien deshalb "reine Spekulation". ALKE WIERTH

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