Sprachförderung: Kitas machen doch nicht schlauer

Der Sprachtest Deutsch Plus zeigt erneut Defizite der Kitas: Jedes fünfte Kind wird als Schulanfänger Mühe haben, dem Unterricht zu folgen. Drei Jahre nach Einführung des Bildungsprogramms ist der Förderbedarf kaum gesunken.

Die gute Nachricht vorweg: Nur noch 23 Prozent der Schulanfänger sprechen vier Monate vor der Einschulung so wenig Deutsch, dass sie dem Unterricht nicht folgen könnten. Das ist 1 Prozent weniger als im vergangenen Jahr, wie die Ergebnisse des Sprachstandstests Deutsch Plus zeigen, den die Senatsverwaltung für Bildung am Freitag veröffentlichte.

Die schlechte Nachricht: Nicht einmal Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) führt den Rückgang auf den Erfolg des Bildungsprogramms und die Sprachförderung in den Kitas zurück. Stattdessen betont der Senator bescheiden die gestiegene gesellschaftliche Bedeutung von Bildung, die dazu führe, "dass Eltern aus allen Schichten und Kreisen mehr als je zuvor auf die Sprachentwicklung ihrer Kinder achten".

Für den Sprachstandstest Deutsch Plus ließen Kita-ErzieherInnen und Pädagogen im Winter alle rund 25.000 Schulanfänger des kommenden Schuljahres Geschichten nacherzählen und Bilder beschreiben. Defizite zeigten vor allem Kinder, die keine Kita besuchen. 760 - also fast die Hälfte von ihnen - müssen daher seit vergangenem Februar 300 Stunden Sprachunterricht nehmen. Von den Kindern, die Kitas besuchen - und das sind in Berlin 97 Prozent -, hat jedes fünfte Schwierigkeiten im Deutschen und braucht zusätzliche Förderung. Bei Kindern mit ausländischer Muttersprache hat sogar jedes zweite Nachholbedarf, trotz Besuches einer Berliner Bildungseinrichtung, wie die Kitas seit 2005 heißen.

In Bezirken, die im Sozialatlas regelmäßig auf unteren Plätzen landen, haben erwartungsgemäß überdurchschnittlich viele Kinder Förderbedarf: In Neukölln sind über 1.000 von 2.300 Kita-Kindern dem Sprachstandstest nicht gewachsen gewesen, der Anteil ist mit 45,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr sogar um 1 Prozentpunkt gewachsen. In Marzahn-Hellersdorf ist der Anteil ebenfalls gestiegen, 23,3 Prozent der Vorschüler haben Defizite.

Für ihre Zusatzförderung sind nun die Erzieherinnen verantwortlich im Rahmen ihrer alltäglichen Arbeit: "Das ist in der Praxis kaum umsetzbar, denn zusätzliches Personal gibt es dafür nicht", kritisiert Christiane Weißhoff, Expertin für Kitas bei der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) und angestellt beim kommunalen Kita-Eigenbetrieb City. Eine Erzieherin, die 15 Kinder betreue, habe kaum Zeit, intensiv mit jedem zu sprechen, berichtet Weißhoff.

Künftig sollen sogar förderungsbedürftige Kinder, die keine Kita besuchen, ein Jahr lang drei Stunden täglich am Sprachunterricht teilnehmen. Koordinatoren sollen den gemeinsamen Deutschunterricht organisieren, und zwar kostenneutral.

Neuköllner Grundschulen schlagen bereits Alarm, weil die Koordinatoren offenbar aus dem Topf bezahlt werden sollen, der bisher allein für die Sprachschulung von Schülern nichtdeutscher Herkunft bestimmt war. "Alles deutet darauf hin, dass an den Schulen gekürzt wird", sagt Jürgen Schulte von der GEW Neukölln. Grüne und FDP fordern, zusätzliche Sprachprofis in die Kitas zu schicken.

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