Nach Gefängnisrevolte: Knast muss aufgepeppt werden

Die Gründe für den Gewaltausbruch am Samstag in Lichtenrade sind fehlendes Personal, Langeweile und die Hitze, sagen Vollzugsexperten.

Die Randale im Untersuchungsgefängnis für Jugendliche in Lichtenrade kam nicht überraschend. Die Vereinigung der Berliner Strafverteidigung und der Anstaltsbeirat der Jugendstrafanstalt beklagen, dass die Einschlusszeiten in den Zellen immer länger werden und die Beschäftigungsmöglichkeiten immer geringer. Das liege am Personalmangel.

Justizsenatorin Gisela von der Aue (SPD) hatte zunächst vermutet, die Randale am Samstagabend sei durch das heiße Wetter ausgelöst worden. Genaueres sollen nun anstaltsinterne Ermittlungen klären. Am Donnerstag wird sich zudem der Rechtsausschuss des Abgeordnetenhauses mit dem Fall beschäftigten. Ganz oben auf der Agenda steht die Personalausstattung in den Knästen.

Unter anfeuernden Rufen von Mitgefangenen hatten 15 Untersuchungshäftlinge zwischen 14 und 19 Jahren im Gefängnis Kieferngrund ihre Zellen demoliert. Ein Häftling legte sogar Feuer. Erst als die Polizei kam und die 15 Randalierer in die Jugendstrafanstalt Plötzensee verlegt worden waren, trat Ruhe ein.

Fast alle 65 Insassen des Kiefergrunds hätten sich auf unterschiedliche Art beteiligt, hatte es am Sonntag in einer Pressemitteilung geheißen. Nach den Gründen befragt, sagte Anstaltsleiter Marius Fiedler am Montag zur taz: "Die Insassen haben sich gegenseitig aufgeheizt, wobei möglicherweise auch die Hitze und die Langeweile eine Rolle spielten." Der Vorfall werde jedoch von den Medien zu hoch gehängt. "Das Presseecho tut den Häftlingen nicht gut, weil sie das in ihrem Handeln bestätigt."

Für die Vorsitzende des Anstaltsbeirats der Jugendstrafanstalt, Annette Linkhorst, ist die Randale indes Ausdruck dafür, dass "die Luft" im Jugendstrafvollzug "brennt". Der aus ehrenamtlichen Mitarbeitern bestehende Beirat versteht sich als Mittler zwischen Gefangenen und Haftanstalt. Im Jugendstrafvollzug gebe es viel zu wenig Personal, so Linkhorst. Leidtragende seien die Gefangenen. Die Strafverteidigervereinigung nennt ein Beispiel: Selbst bei Hitze dürften die Insassen nur einmal in der Woche duschen. Die Justizverwaltung bestreitet dies: Jeder Insasse der Jugendstrafanstalt könne täglich duschen, sagt Sprecher Bernhard Schodrowski.

Zum Zeitpunkt der Randale waren im Kieferngrund fünf Beamte im Dienst - wie immer an Wochenenden, heißt es. Dazu kam noch ein Sportlehrer. Nach knapp zweistündiger Sport- und Freizeitveranstaltung war am Nachmittag Einschluss. In den Zellen gibt es keine Fernseher. Was das für die Gefangenen heißt, beschreibt Fiedler mit den Worten: "lesen, nachdenken, Langeweile aushalten". Und natürlich quatschen mit den Nachbarn durchs Fenster. Zu gerne hätte er mehr Personal, sagt der Anstaltsleiter. Seit 1999 habe er fast ein Drittel der Leute verloren. "Mit mehr Personal wären die Chancen größer, im Vorfeld zu verhindern, das sich die Insassen so aufputschen."

Bei den Etatberatungen 2010/2011 war Justizsenatorin von der Aue mit der Forderung nach mehr Personal gescheitert. Die Lage sei auch so nicht katastrophal, sagte sie am Sonntag. Der Vorsitzende des Berliner Vollzugsbeirats, Olaf Heischel, glaubt, dass die Zustände auch ohne neue Stellen verbessert werden könnten: "Man muss die vorhandenen Leute motivieren und gemäß ihren Fähigkeiten einsetzen."

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