Kommentar: Kompliziert, aber reizvoll

Die von Mehr Demokratie e.V. angestrebte Wahlrechtsrefom in Berlin ist spannend. Ob sich Politiker dafür begeistern ist irrelevant.

Kumulieren und panaschieren. In Berlins Politik sind das bisher zwei Fremdworte, die der politische Beobachter allenfalls aus dem fernen Bayern vernommen hat. Verstanden wurden sie meist bloß als Synonym für "kompliziertes Wahlverfahren". Wenn nun Mehr Demokratie e. V. genau dafür die Berliner begeistern will, darf am Erfolg der Initiative gezweifelt werden. Genaues Hinsehen aber lohnt.

Denn das aufwendig klingende Kandidatenstreichen und Stimmenmischen wird keineswegs mehr nur bei der Wahl hinterwäldlerischer Kommunalparlamente angewandt. Beim Blick auf andere Bundesländer oder EU-Staaten wird schnell klar: Ein erweitertes Wahlrecht ist eher die Regel als die Ausnahme. Selbst der Stadtstaat Hamburg wählt im März seine Bürgerschaft erstmals über Mehrkandidatenwahlbezirke. Durchgesetzt wurde dort die Reform per Volksbegehren - auf Initiative von Mehr Demokratie e. V.

Rückständig erscheint somit eher das Wahlrecht in Berlin, wo der Bürger bisher maximal die Möglichkeit hat, Erst- und Zweitstimme auf zwei Parteien zu verteilen. Bei der Zusammensetzung des Parlaments aber muss er widerspruchslos akzeptieren, was die Parteien ihm aufgelistet haben.

Ob die Parlamentarier die angestrebte Reform goutieren, ist letztlich irrelevant. Schließlich beackern sie das Feld der Politik nur im Auftrag des Wählers. Wie der aber seine Aufträge an die Politiker vergibt, muss ihm schon selbst überlassen bleiben. Dabei kann es durchaus sein, dass die Bürger der Initiative von Mehr Demokratie e. V. die Unterstützung verweigern. Etwa weil sie den angestrebten Abstimmungsmodus für zu kompliziert und damit für unbrauchbar halten. Einen Versuch aber ist es allemal wert.

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Leiter des Regie-Ressorts, das die zentrale Planung der taz-Themen für Online und Print koordiniert. Seit 1995 bei der taz als Autor, CvD und ab 2005 Leiter der Berlin-Redaktion. 2012 bis 2019 Leiter der taz.eins-Redaktion, die die ersten fünf Seiten der gedruckten taz produziert. Hat in Bochum, Berlin und Barcelona Wirtschaft, Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation und ein wenig Kunst studiert. Mehr unter gereonasmuth.de. Twitter: @gereonas Mastodon: @gereonas@social.anoxinon.de Foto: Anke Phoebe Peters

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