Rekonstruktionswettbewerb: Kuppelei auf dem Schlossplatz

Bundesbauminister Tiefensee und acht Architekten suchen per Ausschreibung die Superkuppel, die das geplante Humboldt-Forum auf dem Schlossplatz krönen soll. Die Entscheidung fällt in einem Jahr.

Die Kuppel der Replik darf etwas moderner werden: Modell des alten Berliner Stadtschlosses Bild: DPA

Berlin wird bald um eine Kuppel reicher sein. Am Montag gaben Bundesbauminister Wolfgang Tiefensee (SPD) und Klaus-Dieter Lehmann von der Stiftung Preußischer Kulturbesitz den Startschuss für den Realisierungswettbewerb zum Humboldt-Forum. Bis November 2008 soll in einem zweistufigen Verfahren ein Entwurf für das Kultur- und Wissenschaftszentrum auf dem Schlossplatz gekürt werden. Die Vorgaben: drei barocke Fassaden im Look des historischen Stadtschlosses, eine Kuppel und eine Replik des preußischen "Schlüterhofs". Die Wettbewerbsunterlagen werden ab sofort an 150 internationale ArchitektInnen versandt, von denen dann rund 30 konkrete Entwürfe ausarbeiten sollen.

David Chipperfield: Der Londoner kennt sich in Berlin bestens aus. Gerade restauriert er die Kriegsruine des Neuen Museums. Für das benachbarte Pergamonmuseum hat er eine moderne Zugangshalle entworfen. Mit seinen Arbeiten auf der Museumsinsel hat sich der 54-Jährige als moderner Interpret klassischer Architektur profiliert.

Giorgio Grassi: Auch der 72-jährige Mailänder wollte das Neue Museum rekonstruieren. 1994 gewann er den Wettbewerb. Später durfte doch Chipperfield ran. Grassi, ein Vertreter des italienischen Rationalismus, errichtete am Potsdamer Platz die Parkkolonnaden entlang der Köthener Straße.

Petra Kahlfeldt: Die 47-Jährige verwandelt gern Industriebauten, wie das Abspannwerk der Bewag in der Charlottenburger Leibnizstraße, in Büro- und Ateliergebäude. Kahlfeldt ist seit 2001 Landesvorsitzende des Bundes Deutscher Architekten.

Peter Kulka: In den 60ern war Kulka Mitarbeiter von Hans Scharoun. Als freier Architekt plante der heute 70-Jährige mehrfach moderne Anbauten an bestehende Häuser. So leitete er die Erweiterung des Sächsischen Landtags und den Umbau des Hygienemuseums in Dresden. Derzeit plant er den Wiederaufbau des Ostflügels des dortigen Residenzschlosses. Für die Stadt Grimma entwarf Kulka eine Brücke mit einer an ein Gürteltier erinnernden Gitterstruktur. Die ginge durchaus auch als Kuppel durch.

Vittorio Lampugnani: Der 56-Jährige hatte schon als Kind gute Beziehungen zu Deutschland. Er wuchs in Rom zweisprachig auf. Von 1990 bis 1995 war er Chef des Deutschen Architektur-Museums in Frankfurt. Mit seinem Pamphlet gegen die zeitgenössische Avantgarde löste er 1993 den sogenannten Deutschen Architekturstreit aus. Er gilt als Gegner modernistischer Extravaganzen in der Architektur.

HG Merz: Auch der 60-jährige Merz hat sich auf der Museumsinsel verdient gemacht. Die von ihm restaurierte Alte Nationalgalerie ist schon aus architektonischen Gründen einen Besuch wert. Derzeit baut er die Staatsbibliothek Unter den Linden um. In Stuttgart errichtete Merz das Mercedes Benz Museum in Form einer Doppelhelix. Die wäre extrem kuppeltauglich.

Gesine Weinmiller: Die heute 44-Jährige hätte fast den Reichstag saniert. Sie wollte das Parlamentsgebäude ohne Kuppel renovieren. Dafür hatte sie ihm als Ergänzung einen modernen Büroturm zur Seite gestellt. Ihr Entwurf landete 1992 beim Wettbewerb nur auf Platz 2.

Peter Zlonicky: Der Stadtplaner hat Erfahrung mit repräsentativer Architektur. Für das Regierungsviertel in Bonn machte er Anfang der 80er-Jahre die Rahmenplanung, für dessen Nachfolger in Berlin die vorbereitenden Untersuchungen.

Kreativität dürfen die Architekten bei der Kuppel beweisen, die nicht dem historischen Vorbild folgen muss. Außerdem sollen sie Vorschläge liefern, wie sich ein Zitat des DDR-Volkskammersaals und ein U-Bahnhof integrieren ließen. Sonst müssen sie dem Bundestagsbeschluss folgen, der die historische Rekonstruktion des 1950 gesprengten Schlosses vorschreibt.

Das Humboldt-Forum, das ab 2010 an der Stelle des Palastes errichtet werden soll, nannte Tiefensee "eines der bedeutendsten kulturellen Bauvorhaben Deutschlands". 552 Millionen Euro darf es kosten. 440 Millionen kommen vom Bund, 80 sollen durch Spenden erbracht werden, 32 Millionen zahlt Berlin. Für die Einrichtung sind 72 Millionen des Gesamtbetrags vorgesehen. Das Geld sei fest im Bundeshaushalt eingeplant, sagte Tiefensee.

Preußenstiftungschef Lehmann sprach von einem "Exzellenzcluster für das Publikum", der Kultur und Wissen vereine. Hauptnutzer sollen die Zentral- und Landesbibliothek, die wissenschaftliche Sammlung der Humboldt-Uni und die Ethnologischen Museen werden. Bühnen und Gastronomie sollen zusätzlich Besucher anziehen. Das Humboldt-Forum werde "die großen Themen der Menschheitsgeschichte" ausstellen, so Lehmann. Nächste Woche will er mit dem Regierendem Bürgermeister Klaus Wowereit über eine "Humboldt-Box" sprechen, die auf dem Schlossplatz über das Projekt informieren soll.

Überraschend gemischt ist das achtköpfige Fachgremium , das über die Entwürfe entscheidet. Unter den ArchitektInnen und StadtplanerInnen finden sich viele Anhänger moderner Architektur (siehe Kasten). Beim zweiten Gremium aus Bundes- und Landespolitik und Preußenstiftung überwiegen die Traditionalisten. Die Suche nach einem Entwurf, der alle zufrieden stellt, wird nicht leicht.

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