Türkisch-kurdischer Konflikt: Kurden wieder unter Verdacht

Vielen kurdischen Vereinen wird jetzt erneut PKK-Nähe unterstellt. Das vertieft die alten Gräben, sagen die Funktionäre.

Eine Demonstrantin mit kurdischer Flagge in Berlin Bild: AP

Die PKK bestimmt hier nicht das Leben", sagt Riza Baran, Vorsitzender der Kurdischen Demokratischen Gemeinde Berlin. Wer Frieden wolle, müsse mit solchen Verdächtigungen und Verallgemeinerungen aufhören. Der 64-Jährige klingt etwas müde dabei, als hätte er das schon tausendmal gesagt. Seit über 40 Jahren lebt er in Deutschland, 30 davon war er Lehrer an Berufsschulen. Baran, in den Neunzigerjahren für die Grünen im Abgeordnetenhaus, später Vorsteher der BVV Friedrichshain-Kreuzberg, ist der "große alte Mann" der kurdischen Community Berlins. Respekt genießt er weit über diese hinaus, unter Migranten - auch türkischen - wie unter Deutschen. Dennoch kennt auch er den PKK-Verdacht: "Wenn du kritisch bist, heißt es, du seist in der PKK."

"Man macht sich oft schon verdächtig, wenn man offen sagt, dass man Kurde ist", sagt Siamend Hajo. Der 40-jährige Politologe ist Mitbegründer des Europäischen Zentrums für kurdische Studien, das nach dem gescheiterten Versuch, Kurdologie als Fach an einer Berliner Uni zu etablieren, nun als freies Institut in Neukölln arbeitet. Der Verdacht folge dem Motto "Wers sagt, ist politisch." 60.000 bis 80.000 Kurden lebten in Berlin, schätzt der Wissenschaftler. Bis zu 800.000 könnten es in Deutschland sein. Die Mehrheit stammt aus der Türkei. Genaue Zahlen gibt es nicht, denn Zuwanderer werden nur nach Staatsangehörigkeit erfasst. Die meisten identifizierten sich aber als Kurden, so Hajo: "Viele Kurden aus der Türkei haben ihr Kurdischsein erst in den Achtzigerjahren mit der PKK entdeckt." Deren Einfluss sei in den vergangenen Jahren zwar stark gesunken, doch könne die PKK immer noch mehr Menschen als andere Organisationen mobilisieren.

Mitleid mit den Randalierern

"Ich bin kein radikaler Mensch", sagt Fevzi Aktas vom Kurdistan Kultur- und Hilfsverein in Kreuzberg. Der 35-Jährige, der als Student nach Deutschland kam, engagiert sich deshalb in einem Verein, der der Dachorganisation Komkar angehört. Die 1979 gegründete Komkar hat sich immer von der PKK distanziert - nicht ohne Folgen. Bis vor wenigen Jahren wurden ihre Veranstaltungen häufig von PKK-Anhängern gestört. Heute hätten sie an Einfluss verloren, glaubt auch Aktas. Dennoch fürchtet er, dass die Spannungen zwischen Türken und Kurden auch in Berlin weiter eskalieren könnten. Für die jungen Türken, die bei einer Demonstration vor drei Wochen eine kurdische Moschee nur wenige hundert Meter entfernt von Aktas Verein angriffen, empfindet er Mitleid.

"Sie werden von türkischen Organisationen ausgenutzt", meint Aktas. Es sei die Politik der türkischen Regierung gewesen, die die kurdische Bewegung bis hin zum PKK-Terror radikalisiert habe. Bis heute behindere sie eine Zusammenarbeit auch seiner Organisation mit vielen türkischen Vereinen: "Sie wagen nicht, mit uns zusammenzuarbeiten, weil sie Angst vor ihrer Regierung haben."

"Die PKK ist ein Produkt der türkischen Politik", sagt auch Hoshang Sabri. Im Hauptberuf Apotheker, ist er seit einem Jahr Vorsitzender des Kurdischen Zentrums. Dass der aus Syrien stammende Kurde den Vorsitz übernahm, ist auch Symbol eines Politikwechsels: "Ich bin bekannt als ein Mensch, der neutral ist", sagt Sabri. Das Zentrum gehörte bislang zu den Vereinen, die unter dem Verdacht der PKK-Nähe standen, der neue Vorsitzende hat früher mit der Komkar zusammengearbeitet. Die PKK als terroristisch abzustempeln, findet Sabri falsch: "Die türkische Regierung profitiert von dem, was ein Teil der PKK tut." Heute sei die PKK nicht mehr "die mächtigste Stimme", aber "was jetzt passiert, macht sie wieder stärker."

Keine Einladung von Körting

Ismail Parmaksiz vom Demokratischen Kurdischen Gesellschaftszentrum Berlin-Brandenburg sieht den PKK-Vorwurf gelassen. "Die PKK ist in Kurdistan", sagt er. "Unser Verein hier ist für alle Kurden offen." Dass unter den 600 Mitgliedern auch solche seien, die mit der PKK sympathisierten, könne man da nicht ausschließen. Zu der Gesprächsrunde, die Innensenator Ehrhart Körting (SPD) vor zwei Wochen mit Vertretern kurdischer Vereine veranstaltete, war das Gesellschaftszentrum nicht eingeladen. Grund sei die Nähe zur PKK, die man seinem Verein unterstelle, glaubt Parmaksiz - und hat damit kein Problem: "Eigentlich ist jeder gegen Gewalt. Doch wir sympathisieren mit den Kämpfern in Kurdistan."

Der türkische Staat lasse keinen anderen Ausweg. Dass sie nicht eingeladen waren, ärgert ihn trotzdem: "Wir sind angegriffen worden. Dann soll man auch mit uns reden." Sein Verein habe nicht nur enge Kontakte zu der kurdischen Moschee, vor der die Krawalle stattgefunden hatten, sagt Parmaksiz: "Den größten Einfluss auf die Berliner Kurden hat unser Verein. Wenn etwas passiert, soll man auch mit uns reden." Den Einladungen des Vereins sei Innensenator Körting aber bislang nicht gefolgt.

Riza Baran war bei der Gesprächsrunde des Innensenators. Kurz zuvor hatte seine Kurdische Gemeinde eine Erklärung gegen die gewalttätigen Ausschreitungen bei der Demonstration am 28. Oktober und für ein friedliches Miteinander kurdischer und türkischer Berliner veröffentlicht - gemeinsam mit dem Türkischen Bund Berlin (TBB). "Meine Regierung ist die Bundesregierung, und mein Präsident heißt Köhler, nicht Gül", sagt Baran. Dass manche türkischen Vereine die Zusammenarbeit mit kurdischen immer noch verweigerten, hält er für den Rest eines alten Herrschaftssystems: "Manche leben in einem anderen Zeitalter."

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