Mehrgenerationenhaus in Lichtenberg: Lebensabend im Kindergarten

Das Wohnprojekt "Werkpalast" will aus einer ehemaligen DDR-Kindertagesstätte ein Mehrgenerationenhaus errichten. Im Bezirksamt Lichtenberg ist man begeistert.

Kinderspiele nicht in der Kita, sondern im Wohnprojekt Bild: DPA

Peter Malkowski will seinen Lebensabend im Kindergarten verbringen. Seit Jahren schaut der 69-Jährige auf den Kita-Plattenbau seines Hauses gegenüber, dachte schon daran, ihn mit anderen zu übernehmen - bis eines Tages zwei junge Leute das Objekt begutachteten und er sich ihnen anschloss. Die Leute sind Silvio Divani und Stefanie Eckert. Sie haben vor, aus dem ehemaligen Kindergarten in der Nähe der Storkower Straße ein Mehrgenerationenhaus zu machen.

Seit Jahren ist das Grundstück verwahrlost; das Einzige, was noch erhalten ist, sind Wandgemälde mit Bärchen und Märchenfiguren. In zwei Jahren sollen hier die ersten Mieter in ein Niedrigenergiehaus ziehen. "Man braucht ein bisschen Vorstellungsvermögen", sagt Stefanie Eckert. Aber die 29-Jährige ist sich sicher, dass sie, ihr Freund Silvio Divani, Herr Malkowski und die anderen 29 Projektteilnehmer eines Tages aus der Kita-Ruine einen Palast gemacht haben werden.

Mit ihrem "Werkpalast" wollen sie allerdings kein Eigentum schaffen. Mit dem "Eigentumsding", wie Divani es ausdrückt, könnten viele der künftigen Mieter nichts anfangen: Die meisten kommen aus dem Osten und viel Geld haben sie auch nicht. Und außerdem: "Wohnen ist für uns keine Profitanlage, sondern ein soziales Geschäft", sagt Divani.

Das Grundstück mit dem großen Garten wollen sie dem Liegenschaftsfonds abkaufen - mithilfe der Stiftung Trias, die Grundstücke kauft und Projekte mit Darlehen unterstützt, um neue Wohnformen zu fördern und Grund und Boden vor Spekulanten zu retten. Im Falle des Werkpalastes soll sie das Gelände kaufen und in Erbpacht an die Mietergenossenschaft Selbstbau e. G. weitergeben.

Kostenpunkt für das Grundstück: 450.000 Euro. Die Selbstbau e. G. hat für den Werkpalast einen Kredit beantragt, auch Vorverhandlungen mit dem Liegenschaftsfonds hat es bereits gegeben. Die Chancen für den Kauf stehen gut. Eine Architektin hat in dem Stahlskelettbau 18 kleine und große Wohnungen konzipiert. Langfristig sozialverträgliche Mieten schweben Eckert und Divani vor, zwischen 4,50 und 6,50 Euro kalt pro Quadratmeter. Die beiden Medienwissenschaftler wollen in dem Werkpalast aber nicht nur wohnen, sondern auch Arbeitsplätze schaffen. Ein Medienzentrum mit Computerraum und Mediathek für Senioren haben sie konzipiert, außerdem sollen Filmabende und Ausstellungen stattfinden.

Eine neue Generation an Baugemeinschaften sieht Michael Lafond, Baugruppenexperte vom Institut für kreative Nachhaltigkeit, in Eckert und Divani: aus dem Osten, idealistisch, engagiert, Menschen, die seiner Meinung nach Kreativ- und Sozialarbeit verbinden. "Die sind dabei, etwas zu bewegen."

Und es sind Menschen, die sich auf ihre Weise gegen die steigenden Mieten und die Veränderung der Innenstadtbezirke wehren. Dort, wo Eckert und Divani jetzt wohnen, im Friedrichshain, haben sich die Mieten in den letzten zehn Jahren fast verdoppelt. Bald wird es für sie unbezahlbar sein. Eckert ist im Prenzlauer Berg aufgewachsen, aber dort heute Kind zu sein sei nicht mehr das Gleiche wie zu ihrer Zeit. "Wir waren Kinderbanden und spielten auf den Dächern und Höfen. Heute sieht man nur Kinder auf Spielplätzen, mit ihren Müttern." Auch deswegen habe sie sich für die Kita mit dem riesigen verwilderten Garten entschieden. Und sie schätzt Lichtenberg. "Es gibt hier noch normale Menschen."

Vom Bezirk hätten sie jedmögliche Unterstützung bekommen, sagt sie. Der Wirtschaftsstadtrat von Lichtenberg Andreas Prüfer, für die Immobilien des Bezirkes zuständig, hat ein Empfehlungsschreiben an den Liegenschaftsfonds aufgesetzt. Schließlich bewundert er Eckert und Divan: "Leute mit klaren Konzepten, die sich nicht scheuen, Geld in die Hand zu nehmen, und wissen, dass es nichts für umsonst gibt." Außerdem ist auch ihm daran gelegen, seine "Hütten", wie er die leerstehenden Kitas und Schulen nennt, nachnutzen zu lassen. Viel mehr als ein Wort einlegen kann er aber auch nicht tun. Letztlich entscheiden der Liegenschaftsfonds und der Finanzsenator.

Viel zu wenig fördere das Land Berlin solche Zukunftsprojekte, sagt Lafond. Dabei denke gerade in Umbruchzeiten wie dieser eine wachsende Bevölkerungsgruppe an gemeinschaftliches und generationsübergreifendes Wohnen. "Es fehlt aber der politische Wille, so etwas zu fördern."

Eckert und Divani sind auch ohne finanzielle Unterstützung vom Land hoffnungsvoll. Jetzt treffen sie sich mit der Quartiersmanagerin von Lichtenberg, sie wollen wissen, was der Bezirk braucht. Um das Konzept ihres Medienzentrums für Senioren auch den Bedürfnissen des Viertels anzupassen. GRIT WEIRAUCH

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