Bezirke: Leseratten werden ausgeschlossen

Weil die Bezirke immer weniger Geld haben, sollen öffentliche Bibliotheken geschlossen werden. In Wedding planen Bürger eine Demonstration dagegen.

Noch lässt man sie in Ruhe lesen Bild: Reuters

Kind, du musst mehr lesen! Ein Satz, der schon aus vieler Eltern Münder zu hören war. Die Bezirke allerdings hadern mit der Finanzierung der Bibliotheken. Am heutigen Mittwoch soll in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Pankow über die Schließung zweier Bibliotheken verhandelt werden: die Kurt-Tucholsky-Bibliothek in der Esmarchstraße und die Stadtteilbibliothek am Senefelder Platz. Damit würde die Anzahl der Bibliotheken in Pankow von neun auf sieben schrumpfen. Zehn Personalstellen sollen im Zuge der Schließung abgebaut werden.

Nach Berichten des Tagesspiegel ist Michael Nelken (Linke), Kulturstadtrat in Pankow, selbst mit dieser Lösung unzufrieden. Die Finanzlage ließe aber keinen anderen Weg zu, sagt er. Dem schließen sich nach dem letzten Meinungsbild der BVV weder die CDU noch die Grünen an. Cornelia Schwerin, bildungspolitische Sprecherin der Grünen, sagt: "Die Schließung ist nicht sinnvoll. Kinder könnten dann nicht mehr alleine in die Bibliothek gehen. Teilweise müssten zwei große Straßen überquert und weite Wege zurücklegt werden." Weil aber SPD und Linke in der BVV die Mehrheit haben, ist die Schließung sehr wahrscheinlich.

Dabei liegen Bibliotheken im Trend: Die Ausleihen in Berlin steigen Jahr für Jahr. Über 17 Millionen waren es 2006 - 3,7 Prozent mehr als im Vorjahr. Trotzdem gibt es einen ähnlichen Fall auch in Wedding. Jeden Tag kommen bis zu 300 Kinder und Jugendliche in die Jerusalembibliothek am Nauener Platz. Doch Bildungsstadträtin Dagmar Hänisch (SPD) will die Kinder- und Jugendbibliothek schließen und Teile von ihr in die Luisenbibliothek umziehen lassen. "Die Haushaltsnotlage erfordert diesen Schritt. Zudem ist das Konzept der Kinder- und Jugendbibliothek an sich ein Auslaufmodell. Das gemeinsame Erleben von Kindern und Erwachsenen ist wichtiger", so Hänisch zur taz. Ein Konzept für eine Bezirkszentralbibliothek liege vor, die Umsetzung sei allerdings erst für 2015 geplant.

Am 20. Dezember soll endgültig über die Schließung in Wedding entschieden werden. Würde es dazu kommen, müssten die Kinder aber nicht nur auf Bücher und andere Medien verzichten, sondern auch auf die Angebote der Anwohner. "Von Hausaufgabenhilfe über Lesungen bis hin zu betreutem surfen im Internet bietet die Jerusalembibliothek ein breites Spektrum", so Tom Schweers, Anwohner und Initiator der Kampagne zur Bibliotheksrettung. "Zudem gibt es noch keine Lösung für den Bücherbus", sagt er. Dies bestätigt auch Hänisch. Der Bücherbus ist derzeit in der Jerusalembibliothek beheimatet und stellt regelmäßig neuen Lesestoff für Schulen zusammen.

Laut Bibliotheksentwicklungsplan von 2005 wäre die Jerusalembibliothek 2009 ohnehin umgezogen. Dann jedoch in ein ausgebautes Geschoss der Schillerbibliothek vor dem Weddinger Rathaus. Dieser Ausbau ist nun aber aufgrund des finanziellen Defizits des Bezirks abgesagt. Stattdessen wird gespart. Dabei geht es bei der Jerusalembibliothek um 90.000 Euro. Die Betriebskosten und eine Personalstelle sollen wegfallen. "Der Verlust der Kinder- und Jugendbibliothek steht im Vergleich zu den Einsparung und dem Haushaltsloch in keinem Verhältnis", sagt Schweers. Mittlerweile haben sich sowohl die Grünen als auch die Linke dem Protest angeschlossen. "Es darf keine Schließung der Kinder- und Jugendbibliothek geben!", heißt es in einer Erklärung der Linken. Hunderte Unterschriften gegen die Schließung liegen vor. Eine Demo ist für Ende November geplant.

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