SPD will Kinderlärm legalisieren: Lieber Kinderlärm als Presslufthammer

Die SPD will per Gesetz das lautstarke Spiel von Kindern tolerieren und damit juristische Klagen von Anwohnern abwehren. CDU und Kinderschutzbund fordern noch mehr Freiräume.

Bald total legal: Kreischen beim Schaukeln Bild: AP

Kinder sollen toben dürfen - und zwar laut. Das will die Berliner SPD gesetzlich festschreiben. Damit dürften Klagen von Anwohnern, die sich durch das lautstarke Spielen in Kitas, Schulen oder Hinterhöfen gestört fühlen, weniger Chancen auf Erfolg vor Gericht haben. Die Änderung soll im Herbst im Abgeordnetenhaus verabschiedet werden.

"Wir wollen an oberster Stelle im Gesetz einen Passus einfügen, wonach Kinderlärm grundsätzlich zu privilegieren ist", sagt Daniel Buchholz (SPD). Letztlich liege es aber nach wie vor im Ermessensspielraum der Richter, Kinder und ihren Lärm unter besonderen Schutz zu stellen. Im vergangenen Jahr hatte ein Nachbar der Kindertagesstätte Milchzahn in Friedenau wegen Lärmbelästigung geklagt und vom Amtsgericht Schöneberg Recht bekommen. Die Kita musste aus ihren Räumen ausziehen.

Mit der Förderalismusreform sind seit 2006 die Länder dafür zuständig, "sozialen Lärm" zu regeln. Nach dem sogenannten Landesimmissionsschutzgesetz sind in Berliner Wohngebieten maximal 55 Dezibel Lärm zulässig, allein auf Spielplätzen sind es laut Experten aber bis zu 80 Dezibel.

In den letzten Jahren hätten die Beschwerden über Kinderlärm rapide zugenommen, beklagt das Deutsche Kinderhilswerk. "Wir begrüßen daher, dass Berlin bundesweit einer der Vorreiter in Sachen Kinderschutz sein will", sagt Pressesprecher Michael Kruse. Das lautstarke Spiel von Kindern sei schließlich keine Immission im Sinne des Gesetzes wie etwa Gewerbelärm, sondern gehöre zu einer gelingenden Sozialisation.

Das sieht auch die CDU so. Die Änderung des Gesetzes sei richtig und wichtig für die Entwicklung von Kindern. Einen entsprechenden Antrag habe seine Partei bereits im Januar eingebracht, sagt der familienpolitische Sprecher, Sascha Steuer.

Weder dem Kinderhilfswerk noch der CDU reicht der SPD-Vorstoß in Sachen Kinderschutz. So fordert Pressesprecher Kruse die Stadt auf, auch bei baulichen Maßnahmen auf das Wohl der Kinder zu achten. Bei der Umgestaltung des Alexanderplatzes zum Beispiel sei überhaupt nicht an Kinder gedacht worden. "Wir dürfen die Räume für Kinder nicht nur auf Spielplätze beschränken." Auch bei der Diskussion um die künftige Nutzung des Flughafen Tempelhofs kämen die Wünsche von Kindern nicht vor.

Die CDU geht noch weiter. In einem Antrag hat sie kürzlich die Regierung aufgefordert, nach dem Vorbild Nordrhein-Westfalens ab kommenden Schuljahr jedem Erstklässler ein Instrument zur Verfügung zu stellen. Wohl damit Kinder erst recht nicht mehr mit Presslufhämmern und Kreissägen gleichgesetzt werden können.

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