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Zahl der Täterinnen steigtLinke Frauen schlagen öfter zu

Die Kriminalitätsstatistik der Polizei verzeichnet einen Anstieg beim Anteil der Täterinnen an allen Straftaten. Vor allem in der linken Szene sind die Frauen auf dem besten Weg zur Gleichstellung.

Emanzipation zeigt sich auch in der Kriminalstatistik: 25,6 Prozent aller Straftaten werden laut der in dieser Woche veröffentlichten Polizeistatistik inzwischen von Frauen verübt. Der Anstieg ist leicht, aber stetig. Innensenator Ehrhart Körting (SPD) kommentierte das bei der Vorstellung der Statistik launig: "Das Gender-Programm des Senats fängt an zu wirken."

Interessant ist vor allem der Vergleich der Straftäterinnen in der linken und rechten Szene: Bei den von der Polizei erfassten politisch motivierten Gesetzesbrüchen von links liegt der Frauenanteil bei 28 Prozent. Im rechten Spektrum sind es dagegen nur 7 Prozent. Für den Staatsschutz des Landeskriminalamtes, der für die Statistik zur politisch motivierten Kriminalität in Berlin zuständig ist, ist dieses Ergebnis "erwartungsgemäß". In dem Bericht wird jährlich auch eine "Betrachtung unter Gender-Aspekten" vorgenommen. Und da heißt es zur Erklärung des Frauenanteils bei politisch links motivierten Straftaten: "Dies liegt an der Definition der Rolle der Frau innerhalb der linken Szene, die auf Gleichstellung der Geschlechter beruht." Bei Demonstrationen und Protestaktionen innerhalb der linken Szene seien Frauen einfach "präsenter".

In der Praxis sah das im Jahr 2008 zum Beispiel so aus: Einmal hat eine Frau einem Polizisten bei einer Demonstration im Zuge der Freiraum-Kampagne von hinten auf den Rücken geschlagen. Ein anderes Mal wurden zwei Frauen in Friedrichshain in der Nähe eines brennenden Oberklassewagens festgenommen. Weil beide auch Einweghandschuhe sowie Sturmhauben mit sich trugen, mit denen man sich vermummen kann, verdächtigte die Polizei sie, den Wagen angezündet zu haben. Das ließ sich im Laufe des Ermittlungsverfahrens aber nicht erhärten. Eine andere Frau wurde bei Farbbeutel- und Steinewürfen gegen den Thor-Steinar-Laden in Mitte festgenommen.

Bei all diesen Fällen handele es sich aber eher um Einzelfälle, so ein Staatsschutzbeamter zur taz. Die typische Täterin aus dem linken Spektrum agiere unterhalb der Gewaltgrenze. Sie beteiligt sich an unerlaubten Sitzblockaden gegen Nazidemonstrationen oder begeht Sachbeschädigungen. Zum Bespiel sprüht sie Parolen wie "Deutschland platt machen" an Hauswände. Sie betitelt Polizisten als "Scheißbullen" und verstößt gegen das Versammlungsgesetz, indem sie an einer nicht erlaubten Demonstration teilnehmt und Pfefferspray bei sich tragt.

Anders die Tatverdächtige aus dem rechten Spektrum. In der Gender-Betrachtung des Staatsschutzes heißt es dazu: "Im Dritten Reich (…) war die Frau für die Erhaltung der Kultur, der Bräuche und ,deutschen Rasse' zuständig und sollte den Mann und gleichzeitig das Vaterland stützen." Dies scheine in der Ideologie der rechten Szene auch heute noch eine gewisse Rolle zu spielen.

Die weibliche Tatverdächtige aus der rechten Szene kennzeichnete laut Staatsschutz im Jahr 2008, dass sie weder organisiert war noch sonst wie einer Gruppe zugehörig. In der Regel seien die Frauen im ganz normalen Alltag mit fremdenfeindlichen Äußerungen aufgefallen, manchmal auch gepaart mit Handgreiflichkeiten. So geschehen im Fall einer Mutter, die auf einem Spielplatz in Lichtenberg mit einer anderen Mutter in Streit geriet, sie als "Kanake" und "Scheiß-Ausländer" beschimpfte und ihr zwei Faustschläge gegen den Kopf verpasste. Oder es komme vor, dass auf dem Heimweg von einer Kneipe "Sieg Heil" gebrüllt werde.

Allerdings gab es im Vorjahr auch einen Mordversuch durch eine Frau, bei der der Staatsschutz eine rechte Motivation sah. Die Frau hatte einen 19-jährigen Schwarzen vor einer einfahrenden S-Bahn auf die Gleise geschubst. Als der Mann versuchte, sich an der Bahnsteigkante wieder hochzuziehen, hatte die Frau dies mit den Worten zu verhindern versucht: "Du gehörst nicht in mein Land."

Die Täterin ist bereits zu viereinhalb Jahren Haft verurteilt. Sie war der Polizei zuvor nie aufgefallen. Nur durch das Eingreifen von Passanten war damals Schlimmeres verhindert worden. Nach Angaben des Zugführers wäre der junge Mann trotz eingeleiteter Schnellbremsung überrollt worden.

Doch im Vergleich mit Männern sind Frauen - egal welcher politischen Überzeugung - immer noch die besseren Menschen. Und sie zählen auch deutlich öfter zu den Opfern, als dass sie Täterin sind: Dem 25,6-Prozent-Anteil an den Taten steht gegenüber, dass 40 Prozent der Opfer weiblich sind.

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